Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall
sie erneut vollends in sich zusammensackte, ging plötzlich ein starker Ruck durch den kleinen Körper, der sich dann krampfartig aufbäumte und schließlich zielgerichtet in Bewegung setzte.
Tannenberg erschien das merkwürdige Verhalten der Mücke nicht nachvollziehbar, verließ sie doch den sicheren, trocknen Platz auf dem vorgewölbten Rand des Weißbierglases und lief wie ein ferngesteuerter Roboter in Richtung Tischplatte los. Da sie auf ihrem beschwerlichen Weg dorthin mehrere kleinere Flüssigkeitsansammlungen durchqueren musste, knickten die hinteren Beinchen erneut ein, und es gelang ihr nur mit größter Mühe, sich mit Hilfe der Vorderbeine zum Fuß des Bierglases zu schleppen.
Nach einiger Zeit hatte sie dann ihr mutmaßliches Ziel, die blauweißkarierte Decke des Biertisches, erreicht. Es war sehr beeindruckend, wie intelligent und effektiv der Überlebensinstinkt dieses kleinen Tierchens arbeitete: Kaum war die Fliege auf der Tischdecke angekommen, zog sie auch schon ihren immer noch mit klebriger Nässe überzogenen winzigen Körper über den aufsaugbereiten Baumwollstoff. Gleichzeitig arbeitete sie ohne Unterlass an der Instandsetzung ihres Flugapparats und schaffte es doch tatsächlich mit Hilfe der letzten wärmenden und trocknenden Sonnenstrahlen, die dünnhäutigen Flügel auseinanderzufalten.
Nach dieser gelungenen Aktion führte die kleine Stubenfliege leichtfüßig tänzelnd einen wahren Freudentanz auf.
Aber das war nun wirklich zu viel des Guten! Mit einem kräftigen Schlag aus dem Handgelenk sorgte Tannenberg dafür, dass diese Mücke nie mehr auf einem Weißbierglas landen konnte.
Zu Hause im Garten wurde der Kriminalhauptkommissar von seinem völlig euphorisierten Vater empfangen. »Wolfram, ich habe gewonnen. Stell dir vor, ich habe gewonnen!«
»Schön, Vater. Aber was hast du gewonnen?«
»Im Mittwochslotto hab ich einen Fünfer: 7, 21, 32, 36, 41.«
»Und wie hoch ist der Gewinn?«, fragte Tannenberg interessiert.
»Die Gewinnquoten gibt’s erst morgen. Aber ich rechne so mit 5000 bis 10000 Euro.«
»Das ist ja ’ne Menge Geld! Da will ich übrigens auch was davon abhaben, schließlich hab ich mich ja am Einsatz finanziell beteiligt.«
»Von wegen Gewinnbeteiligung, mein lieber Herr Sohn! Du hast nur Anspruch auf einen Teil des Gewinns aus der Lottoziehung vom nächsten Samstag«, grinste Jacob Tannenberg schadenfroh, ergänzte aber sogleich gönnerhaft: »Wenn der Gewinn wirklich so hoch ist, wie ich hoffe, bekommst du natürlich auch was davon ab.«
»Opa, ich bin fertig. Du kannst loslegen«, rief plötzlich Tobias aus dem Wohnzimmer der großelterlichen Parterrewohnung.
»Wolfram, komm mal mit. Ich zeig dir, in was ich einen Teil des Geldes investiert habe«, sagte der Senior und forderte seinen jüngsten Sohn auf, ihm ins Haus zu folgen.
Tannenberg staunte nicht schlecht, als er auf dem alten Schreibtisch vor dem Wohnzimmerfenster eine hochmoderne Computeranlage entdeckte, an der sich sein Neffe fachkundig zu schaffen machte.
»Hallo, Onkel Wolf, schau dir mal die turbogeilen Sachen an, die sich der Opa gerade im Media-Markt von seinem Lottogewinn gekauft hat: 2,2 Gigahertz-Prozessor, 32er CD-Brenner, 80 Gigabyte Festplatte, TFT-Monitor, Laserdrucker – und das Megageilste: Opa hat gleich ’ne DSL-Flatrate beantragt, die schon morgen früh freigeschaltet wird.«
»Vater, was willst du denn mit so einem teuren Computer?«, fragte Tannenberg staunend.
»Da haben wir’s ja mal wieder: So’n alter Depp wie dein Vater braucht sowas nicht mehr. Der steht ja sowieso schon mit einem Bein im Grab. Das Geld hättet ihr besser verwenden können, gell? Der Alte soll sich doch vor seinen Fernseher setzen; das reicht für den …«
»Jacob, jetzt hör aber auf, das hat der Wolfi bestimmt nicht so gemeint«, mischte sich nun Mutter Tannenberg ein, die die ganze Zeit über schweigend hinter den beiden Männern gestanden hatte.
»Vater, so hab ich das wirklich nicht gemeint. Ich bin doch froh darüber, wenn du dich für die moderne Technik interessierst und dadurch geistig topfit bleibst«, meinte Tannenberg betroffen.
»Ich find’s total cool. Jetzt kann ich mir wenigstens immer die megaangesagten Songs aus dem Internet runterladen«, warf Tobias ein, merkte aber anscheinend selbst, dass seine Bemerkung möglicherweise etwas zu egoistisch geklungen hatte, und ergänzte schnell: »Der Opa kann jetzt auch übers Web Lotto spielen.«
»Das wird toll. Und ich kann
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