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Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Titel: Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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auch an den vielen Preisausschreiben teilnehmen, die es im Internet gibt«, frohlockte Jacob Tannenberg.
    »Klar, Opa!«
    »Los, Tobias, komm jetzt endlich rüber. Du musst ins Bett«, rief plötzlich seine Mutter aus dem Südhaus. Tannenberg nutzte die Gelegenheit und verabschiedete sich gemeinsam mit seinem Neffen, wobei er den Eindruck gewann, dass sein Vater vor lauter Technikbegeisterung die Umwelt gar nicht mehr richtig wahrnehmen konnte.
    »Sag mal, Tobi, hat die Oma keinen Einspruch eingelegt, als der Opa das viele Geld ausgeben wollte?«, fragte Tannenberg im Flur seinen Neffen.
    »Der hat doch die Oma erst gar nicht gefragt. Der ist nicht so’n öder Frauenversteher wie mein Dad. Der Opa war richtig cool. Der war so happy, dass er ein paar Mal laut geschrien hat und dann ist er gleich mit seiner Scheckkarte zu uns gekommen. Und dann sind wir sofort in den Media-Markt gefahren. Meine Alten hätten wieder monatelang diskutiert. Ich glaub, ich zieh demnächst zu Opa!«
    »Da wird sich deine Mutter sicher freuen«, entgegnete Tannenberg lachend.

8
    Obwohl Tannenberg dringend erholsamen Schlaf gebraucht hätte, machte er in dieser Nacht kaum ein Auge zu. Das zentrale Problem, das wie so oft im Sommer sein schnelles Einschlafen verhinderte, war das viel zu warme Bett. Kaum hatte er seinen übermüdeten Körper der Wand zugedreht und den Kopf auf das rechte Kissen gelegt, wurde die von seinem erhitzten Leib bedeckte Liegefläche in Windeseile derart unangenehm erwärmt, dass er umgehend auf die andere Seite und in das andere Kissen flüchten musste. So ging es die halbe Nacht: Immer hin und her, von einer Seite auf die andere und wieder zurück. Selbst der Trick mit den sperrangelweit geöffneten Fenstern nutzte nichts, herrschte doch in dieser schwülen Sommernacht absolute Windstille.
    Zudem wurden die in seinen finalen Schlummertrunk gesetzten Hoffnungen bezüglich dessen einschläfernder Wirkung noch nicht einmal ansatzweise erfüllt. Sein Organismus schien vielmehr vehement gegen die etwas übertriebene Alkoholmenge zu rebellieren. Auch fanden seine ruhelosen Gedanken einfach keinen Ankerplatz; sie schossen wie wild gewordene Flipperkugeln ziellos hinter seiner mit schweißverklebten Haarbüscheln besetzten Schädeldecke umher.
    Als ihn die bleierne Müdigkeit schließlich doch noch übermannte, konnte er endlich den lang ersehnten Schlaf finden. Allerdings gestaltete sich dieser nicht sehr erholsam, denn kaum hatte Tannenberg den Wachzustand verlassen, wurde er von seinem immer noch ziemlich aufgeputschten Gehirn in eine alptraumhafte Fantasielandschaft hineinkatapultiert.
    Dieser bunte Zauberwald beherbergte neben bizarren Baumgestalten auch überdimensionierte Waldpilze mit grellfarbenen, schleimigen Hüten. Die riesigen aggressiven Pilze lauerten Tannenberg überall auf und hefteten sich ihm sofort an die Fersen, wenn er an ihnen vorbeigerannt war. Am bedrückendsten an diesem Horrorfilm empfand er seine Unfähigkeit, dem Heer der immer zahlreicher werdenden Verfolger zu entrinnen. Sie trieben ihn vor sich her, kamen immer näher. Manche streiften ihn sogar mit ihren zähklebrigen Hüten. Der Wald wurde immer dichter und dunkler. Das schwarze Monster drohte ihn vollends zu verschlucken.
    Als seine Situation immer aussichtsloser wurde, öffnete sich plötzlich direkt vor ihm eine mächtige Nadelbaumgruppe und gab den Blick frei auf eine schmale, hölzerne Treppe, die zu einem tiefblauen See hinunterführte. Tannenberg aktivierte seine allerletzten Kraftreserven und stürzte sich todesmutig die nassen braunen Stufen hinab. Die Treppe wurde flacher und flacher und mündete schließlich in einen Steg, der immer länger wurde. Er rannte und rannte. Plötzlich entdeckte er auf dem See einen Mann, der aufrecht in seinem Boot stand und ihn zu erwarten schien. Als Tannenberg näher herankam, sah er, dass die in einen langen schwarzen Mantel gehüllte Gestalt kein Gesicht besaß. Die Pilzarmada näherte sich bedrohlich. Panik erfasste ihn. Da das Boot zu weit weg war, musste er springen. Es war seine einzige Chance, den Häschern zu entkommen. Er sprang vom Steg ins Wasser, das allerdings keinen Widerstand bot. Er stürzte mit riesiger Geschwindigkeit in ein tiefes, schwarzes Loch …
    »Beim nächsten Ton ist es 6 Uhr, 30 Minuten und 0 Sekunden«, sagte plötzlich eine mechanische Stimme.
    Tannenberg fühlte sich wie ein mittelalterlicher Delinquent, dem von sadistischen Folterknechten vor der nächsten

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