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Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Titel: Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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Hör dir’s nochmal an, vielleicht hast du ja was überhört«, sagte Tannenberg, als er in seiner Dienststelle eingetroffen war.
    »Kann ich mir zwar nicht vorstellen, Chef, aber wenn Sie wollen, hör ich mir’s halt nochmal an. Ich hab ja sonst nichts zu tun«, bemerkte die Sekretärin schnippisch und begann schmollend in ihrer Schreibtischschublade herumzuwühlen.
    Tannenberg kramte aus dem rechts vor ihm aufgetürmten, ungeordneten Aktenstapel die Jugendherbergskarte hervor und begutachtete sie noch einmal ausgiebig. ›Der Frauentod ist Liebesfron – Eröffnet ist die Pilzsaison‹ stand da in kursiver Schrift geschrieben. Nun hatte er Gewissheit: Der Hobbydichter, bei dem es sich nach Tannenbergs Gefühl eindeutig um den Täter handelte, hatte den Plural gemeint. Obwohl der Begriff ›der Frauentod‹ doch wohl eher auf den Singular hindeutete. Wollte er damit verwirren? Hatte er in seinem makabren Spiel etwa einkalkuliert, dass die trägen Ermittler den Singular aus dem Gedicht herauslesen würden, weil sie – vielleicht unterbewusst – die Möglichkeit einer Mordserie verdrängen wollten? Musste die Einzahl aber nicht ›der Tod der Frau‹ und die Mehrzahl nicht zwingend ›der Frauen Tod‹ bzw. ›der Tod der Frauen‹ lauten? Vielleicht war das aber alles viel zu rational gedacht und hatte die lyrische Gestaltungsfreiheit des Dichters völlig außer Acht gelassen?
    Tannenberg kam einfach nicht weiter.
    Er hatte den Eindruck, dass sein Kopf gleich bersten würde. Außerdem spürte er, dass die Wirkung der Aspirintabletten allmählich nachließ. Zusätzlich machte sich ein dezentes Hungergefühl bemerkbar. Ihm wurde leicht übel. Was dagegen tun? Etwas essen? Ja, aber was? Dann hatte er eine Idee: Er öffnete den kleinen Kühlschrank neben seinem Schreibtisch und entnahm ihm einen Becher Erdbeerjogurt.
    Während er gerade dabei war, den Aludeckel abzuziehen, klopfte es an seiner Tür und Petra Flockerzie betrat sein Dienstzimmer.
    »Chef, ich hab mir das Band nochmal angehört«, begann sie mit leiser Stimme und räusperte sich verlegen. »Es stimmt, Dr. Schönthaler hat das mit den Hämatomen zwischen den Rippen wirklich aufs Diktiergerät gesprochen. Ich hab’s leider übersehen. Das muss an dieser verflixten Diät liegen, die ich gerade mache. Da steht auch was in der Anleitung drin – über Konzentrationsstörungen und so’n Zeug. Es tut mir wirklich leid. Kommt nicht wieder vor!«
    »Wollen wir das mal hoffen! Also gut. Dann pass das nächste Mal besser auf, wenn du dir eine Diät aussuchst«, meinte der Leiter der Mordkommission in versöhnlichem Ton.
    »Chef, bitte nicht!«
    »Was ist los, Flocke? Was bitte nicht?«, fragte Tannenberg und schaute sie mit großen Augen verwundert an.
    »Bitte nicht den Deckel ablecken! Der ist doch aus Alu. Da läuft es mir kalt den Rücken runter.«
    Tannenberg ließ sich von dem vorlauten Einwurf seiner Sekretärin nicht im Geringsten beeindrucken, sondern zog seine Zunge, nachdem er den Deckel genüsslich abgeleckt und in den Mülleimer geworfen hatte, auch noch mehrmals über den oberen, mit rötlichen Jogurtresten besetzten inneren Becherrand.
    »Flocke, das mach ich alles doch nur, damit dir der Appetit vergeht. Das ist schließlich die kostengünstigste Möglichkeit überhaupt, um abzunehmen«, sagte er grinsend zu Petra Flockerzie, die immer noch gleichermaßen angewidert wie gebannt der Vorführung ihres Chefs beiwohnte.
     
    Als Tannenberg im großen Konferenzraum im Erdgeschoss des Kommissariats eintraf, standen die Mitarbeiter der SOKO in zwei Grüppchen zusammen und diskutierten angeregt.
    »So, Kollegen, darf ich um eure geschätzte Aufmerksamkeit bitten«, begann der Leiter der Sonderkommission ›Pilze‹ und wartete geduldig, bis alle Anwesenden an den in Hufeisenform aneinandergereihten Tischen Platz genommen hatten. »So, wen haben wir denn da eigentlich?«
    Tannenberg tastete die einzelnen Personen mit kurzen Blicken ab. »Ah, Meier III vom Drogendezernat, Susi Rimmel von der Sitte und der Kollege Wrenger vom Einbruch. Den Rest kenn ich ja. Michael, du hast übrigens recht gehabt.«
    »Womit hab ich recht gehabt?«, fragte Kommissar Schauß verblüfft.
    »Erklär ich dir später. Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße euch recht herzlich als Mitglieder der SOKO ›Pilze‹. Der tolle Namen stammt übrigens nicht von mir, sondern von unserem werten Herrn Oberstaatsanwalt. Man hat mich zum Leiter auserkoren. Ihr wisst alle, was

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