Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Titel: Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
Vom Netzwerk:
Ermittlungsergebnissen zu schlussfolgernde konkrete Täterprofil eingehen«, sagte Dr. Glück-Mankowski, ohne auf Tannenbergs Provokation zu reagieren. »Also, erstens zum Geschlecht. Da, denke ich, können wir mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass nur ein männlicher Täter für diese Ritualmorde in Betracht kommt. Kommissar Schauß, wie haben Sie sich eigentlich da oben gefühlt, nachdem Sie die vermeintliche Leiche hochgeschleppt hatten?«
    »Gefühlt? … Ja, kaputt. Körperlich ausgelaugt … Aber auch irgendwie ziemlich erleichtert, eben froh, dass ich endlich oben war, nach all den Strapazen«, antwortete Schauß überrascht, der mit seinen Gedanken anscheinend gerade irgendwo anders gewesen war.
    »Das ist übrigens auch ein wichtiger Aspekt! Der psychopathische Serienmörder unterliegt nämlich einem permanenten Zwang, sich selbst zu bestrafen. Das kann sich u.a. darin äußern, dass er sich aus objektiver Sicht völlig unsinnigen Gefahren aussetzt, also Situationen, aus denen er gerade noch so in letzter Minute entkommen kann oder in denen er nur mit viel Glück nicht entdeckt wird. Oder wie in unserem Fall, sich außergewöhnliche körperliche Strapazen auferlegt. Oder die extremste Form wählt und, wie Kollege Tannenberg eben richtig erwähnt hat, die eigene Tötung inszeniert. Entweder als Selbstmord oder, was tatsächlich leider heute immer beliebter wird, durch Fremdeinwirkung, am besten durch einen Polizisten, dem man ja dadurch, dass man ihn zum Töten zwingt, ein lebenslanges Trauma auferlegen kann. Denn oft stellt sich in diesen Fällen heraus, dass die Waffe des Täters gar nicht geladen war, der arme Beamte also quasi einen Unbewaffneten erschossen hat.«
    »Einfach Wahnsinn!«, wiederholte sich Wrenger inhaltlich.
    »So, das Geschlecht haben wir ja vorhin schon geklärt«, wechselte die LKA-Mitarbeiterin das Thema und zog damit gleichzeitig eine Art Zwischenbilanz. »Nun zum Alter: Ein Mann im fortgeschrittenen Lebensabschnitt scheidet wohl wegen der bekannten körperlichen Belastungen aus. Ich tippe mal, dass der Täter zwischen 20 und 50 Jahre alt sein dürfte und bestimmt gut durchtrainiert ist. Einwände?« Niemand rührte sich. »Vielleicht sind Sie jetzt ziemlich geschockt, wenn ich Ihnen mitteile, dass sich aus den bisher vorliegenden Erkenntnissen keine weiteren Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Mehrfachtäters konstruieren lassen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.«
    Der Oberstaatsanwalt war sichtlich irritiert. Artig bedankte er sich für den Vortrag und verabschiedete sich zu einem angeblich unaufschiebbaren Gerichtstermin.
    Auch Tannenberg war sehr erstaunt über die unerwartete Bescheidenheit der Kriminalpsychologin. Er hatte sich so gut vorbereitet und wollte ihr am Ende ihrer wilden Spekulationen eine richtig deftige Breitseite verpassen. Dazu hatte er sogar die statistischen Zahlen über die Trefferwahrscheinlichkeit der Täterprognosen auswendig gelernt, die sein Vater im Internet für ihn recherchiert hatte.
    Was sind schon 65 %? Die ganze Sache hat doch einen Haken, und zwar einen entscheidenden: Alles, was Sie uns eben gesagt haben, sind Vermutungen, nichts als Vermutungen. Vermutungen mit Wahrscheinlichkeitscharakter. Aber diese wilden Spekulationen blockieren uns, weil sie uns den Überblick, die kritische Distanz verlieren lassen. Es kann, wenn auch nur mit 35-prozentiger statistischer Wahrscheinlichkeit, ganz anders sein. Und genau dafür brauchen wir unseren breiten Ermittlungsfokus, den Sie einengen wollen. Und außerdem bezweifle ich die Seriosität dieser Statistiken! Irgendwer hat mal gesagt: Traue nie einer Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. Wahre Worte! – Dies alles hatte Tannenberg sagen wollen.
    »Das gibt’s ja gar nicht! Seit wann bist du denn ein Profiling-Experte? Ich war ja völlig überrascht. Beim nächsten Mal solltest du vielleicht den Fachvortrag halten«, sagte Schauß mit durchaus glaubwürdiger Anerkennung, als die beiden Ermittler, einen starken Espresso schlürfend, wieder alleine im Büro des SOKO-Leiters saßen.
    »Da habt ihr euch alle ganz schön gewundert, dass der alte Tannenberg noch so fit ist! Aber dir verrate ich natürlich mein Geheimnis: Sherlock Holmes aus der Beethovenstraße hat sich einen Computer und eine DSL-Flatrate zugelegt. Und jetzt bekommt er von mir ab und zu mal einen Rechercheauftrag.«
    »Jetzt versteh ich!«
    »Aber die Glück-Mankowski hat mir mit ihrem komischen

Weitere Kostenlose Bücher