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Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Titel: Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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selbstkritischen Abgang total den Showdown verdorben. Ich hatte mich so schön vorbereitet und wollte ihr am Schluss ein paar richtig schöne Kracher hinwerfen. Stell dir mal vor, die hat mir doch heute Morgen am Stadtcafé tatsächlich aufgelauert und mich massiv dazu gedrängt, jetzt immer ›Eva‹ zu ihr zu sagen!«
    »Aufgelauert? Na, übertreibst du da nicht ein bisschen, du alter Angeber?«, fragte Schauß mit einer Mischung aus Skepsis und Verblüffung. »Eva? Na, so was! … Vielleicht gefällst du ihr ja … Ich meine, so als Mann. Ältere Frauen sollen ja nicht mehr so anspruchsvoll sein!«
    »Chef, ein Dr. Bohnhorst ist am Apparat. Soll ich durchstellen?«, rief plötzlich Petra Flockerzie durch die Gegensprechanlage.
    »Na klar, Flocke, mach das. Mal hören, was der Herr Doktor von mir will!«
    »Wolf, wer ist denn das?«
    »Nur ein alter Klassenkamerad«, antwortete Tannenberg kurz angebunden, bevor er den Telefonhörer abhob.
    »Hallo, Tanne, ich wollte mich dafür entschuldigen, dass ich mich heute Morgen auf dem Markt so unmöglich dir gegenüber benommen habe. Weißt du, ich bin im Moment einfach unheimlich angefressen. Wegen dieser Mordserie bleiben meine Patientinnen weg, weil sie sich aus lauter Angst nicht mehr auf die Straße trauen. Und dann bestehen sie auf Hausbesuche, die unheimlich zeitaufwendig sind und fast nichts einbringen. Aber lehne ich ab, dann wechseln sie zu einem jungen, arbeitsgeilen Kollegen, der diese Situation natürlich gerne ausnutzt, um neue Patientengruppen für sich zu erschließen. Diese Aasgeier warten ja gerade auf so eine Chance. Es ist einfach zum Kotzen! Bitte kümmere dich darum, dass dieser fürchterliche Spuk bald ein Ende hat.«
    »Mach ich, Kai, mach ich. Es war nett von dir, dass du angerufen hast. Bis bald!«
    Tannenberg berichtete Kommissar Schauß unter Verweis auf seine Privatsphäre nichts von dem, was sein ehemaliger Mitschüler ihm gerade gesagt hatte.
    »Weißt du was, Michael«, versuchte er eine gerade in seinem Kopf aufleuchtende Inspiration in Worte zu fassen. »Ich hab eine Idee: Morgen früh mach ich einen langen Waldspaziergang.«
    »Warum? Wohin?«, fragte der junge Kriminalkommissar verwundert.
    »Ganz einfach: Ich geh die Fundorte der Leichen nacheinander ab. Da kann ich das machen, was die Glück-Mankowski vorhin gemeint hat, nämlich versuchen, mich in den Täter hineinzuversetzen. Denn dieser verfluchte Mistkerl scheint ja eine sehr enge Beziehung zum Wald zu haben.«
    »Vom Pfaffenbrunnen zur Weltachs. Das dauert ja Stunden! Das sind ja mindestens 10 Kilometer«, überschlug Schauß die Entfernung und prüfte seine Schätzung anhand der Übersichtskarte, die neben Tannenbergs Schreibtisch an der mit weißer Raufaser tapezierten Wand hing. »Na, das sind gut 10, wenn nicht sogar 12 Kilometer. Das kannst du doch nicht machen, schließlich befinden wir uns in einer heißen Ermittlungsphase. Da musst du doch jederzeit erreichbar sein.«
    »Bin ich ja«, entgegnete Tannenberg gelassen. »Ich nehm mein Handy mit. Und wenn was passiert, rufst du mich an und holst mich schnell ab.«
    »Und wie soll ich mich dann bitte im Wald zurechtfinden? Du sagst mir einfach: Neben der großen Eiche oder hinter der Fichtenschonung, oder wie? Und ich soll dann sofort wissen, wo das ist?«
    »Komplizier die Sache doch nicht so unnötig! Ich hab ja ’ne Wanderkarte dabei.«
    »Und was ist, wenn du dich verläufst?«, schob der junge Kommissar nach. »Da nutzt dir auch dein Handy nichts. Weil du dann nicht weißt, wo du bist.«
    »Dann geb ich eben ein paar Warnschüsse ab oder du schickst drei Polizeihubschrauber los! Mensch, Michael, ich geh ja nicht in die kanadische Wildnis, sondern nur in den Pfälzer Wald. Und da kenn ich mich von früher her noch ganz gut aus. Komm, ich zeig dir’s«, sagte Tannenberg und fuhr mit seinem Finger den Weg auf der Karte nach, den er am Sonntag zu benutzen gedachte.
    »Chef, schon wieder ein Anruf für Sie«, tönte es erneut aus dem beigen Plastikkästchen auf Tannenbergs Schreibtisch.
    »Toll! Dann treffen wir uns heute Abend zu einem flotten Dreier«, war alles, was der Leiter der SOKO ›Pilze‹ in den Telefonhörer sagte.
    »Was und wer war denn das schon wieder?«, fragte Schauß neugierig.
    »Privat, Michael, sogar streng privat!«
    »Manchmal bist und bleibst du mir einfach ein Rätsel.«
    »Das ist auch gut so, denn alte Männer haben doch wohl auch noch ein Recht auf eine geschützte Intimsphäre, oder etwa nicht?

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