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Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall

Titel: Pilzsaison: Tannenbergs erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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Tatverdächtigen. Stimmt doch Tannenberg, oder liege ich da falsch?«
    »Könnte man wohl so sagen«, antwortete der SOKO-Leiter betont lässig und lehnte sich entspannt in seinem Stuhl zurück.
    »Gut, dann werden Sie jetzt alle dem sicherlich hochinteressanten Fachvortrag von Frau Dr. Glück-Mankowski lauschen, von dem Sie für Ihre Arbeit garantiert enorm profitieren werden. Bitte, Frau Kollegin, beginnen Sie mit ihren Ausführungen.«
    »Vielen Dank für die nette Einführung, Herr Oberstaatsanwalt. Ich hoffe, ich kann diesen Vorschusslorbeeren auch gerecht werden«, sagte die Profilerin, während sie den Overheadprojektor einschaltete und eine Folie darauf ablegte.
    Zu Tannenbergs großem Erstaunen war die Folie leer, gänzlich unbeschriftet.
    Eigentlich hatte er wie sonst auch, wenn er zur Teilnahme an einem dieser todlangweiligen Selbstdarstellungs-Monologe – die man offiziell Fortbildungen nannte – genötigt wurde, so genanntes didaktisch aufbereitetes Material erwartet: Optisch prunkvoll gestaltete Vorlagen, die aus bunten Schaubildern, Statistiken und Diagrammen bestanden und nur dazu dienten, die zwangsbeglückten Zuhörer mit angeblichen Fakten zu erschlagen und dadurch mundtot zu machen. Damit sie nicht mehr in der Lage waren, den vor ihnen wie drittklassige Zirkusclowns herumkaspernden Dozenten die entscheidende Frage zu stellen, nämlich die nach der Alltagstauglichkeit ihrer theoretischen Ergüsse.
    Da Tannenberg diese Strategie aber durchschaute, funktionierte sie bei ihm nicht. Es war ihm stets eine große Freude, die hochdekorierten Theoretiker mit der Frage nach der Umsetzbarkeit ihrer Aussagen in die kriminalistische Praxis zu konfrontieren. Je mehr er dabei merkte, wie unangenehm den meisten Dozenten dieses Thema war, umso stärker drangsalierte er sie damit. Schon oft hatte er diese verbalen Schlachten als Sieger verlassen.
    Dr. Hollerbach jedoch vermochte dieser konstruktiven Kritik, wie Tannenberg seine Vorgehensweise selbst gerne bezeichnete, absolut nichts Positives abzugewinnen. Er beschimpfte ihn als impertinenten Querulanten, der trotz gegenteiliger Beteuerung nur Destruktion im Sinn habe.
    Der Streit zwischen den beiden Kampfhähnen gipfelte darin, dass der Oberstaatsanwalt Tannenberg eine Zeit lang die Teilnahme an solchen Fortbildungsveranstaltungen per Dienstanweisung untersagte. Allerdings nur mit zeitlich eng begrenztem Erfolg, denn der Polizeipräsident hob diesen Maulkorberlass sofort auf, nachdem Tannenberg schriftlich dagegen protestiert hatte und nachweisen konnte, dass die Staatsanwaltschaft zu solchen Anordnungen überhaupt nicht befugt war.
    »Ich möchte meine kriminalpsychologischen Erörterungen, die Sie selbstverständlich jederzeit unterbrechen können, gerne in zwei Teile splitten«, eröffnete Dr. Glück-Mankowski ihren Fachvortrag. »Zuerst werde ich Ihnen einige ausgewählte wissenschaftliche Forschungsergebnisse zum Thema ›Profiling von Serienmördern‹ präsentieren und danach versuchen, diese Erkenntnisse mit den von Ihnen bislang gewonnenen Ermittlungsfakten zusammenzuknüpfen. Vielleicht können wir so den potentiellen Täterkreis etwas einengen. Gibt es irgendwelche Einwände gegen mein beabsichtigtes Vorgehen?«
    Da sich niemand zu Wort meldete, setzte sie gleich ihren Vortrag fort: »Viele kriminalistische Studien haben gezeigt, dass im Gegensatz zum klassischen Kriminellen, dem meist nur recht bescheidene intellektuelle Fähigkeiten zur Verfügung stehen – glücklicherweise, kann man da ja nur sagen, der Serienmörder in der Regel mit einer weit überdurchschnittlichen Intelligenz ausgestattet ist.«
    »Geiger, dann scheidest du ja als Verdächtiger von vornherein aus«, brüllte Schauß dazwischen.
    »So viel zum Thema ›überflüssige, unkollegiale Bemerkungen‹», rüffelte umgehend die Profilerin und wandte sich gleich wieder ihrem eigentlichen Themengebiet zu. »Darüber hinaus ist festzustellen, dass der klassische Kriminelle eine graduelle Verbrecherkarriere durchläuft, d.h. er beginnt mit kleineren Straftaten und steigert seine kriminelle Energie im Laufe der Zeit, ähnlich einem Lehrling, der sich während seiner Berufsausübung immer weiter professionalisiert. Dieses Phänomen der Auffälligkeit, wie ich es bezeichnen möchte, erleichtert den Ermittlungsbehörden natürlich enorm die Arbeit, denn unsere Klienten sind ja gerade aus diesem Grunde oft aktenkundig und können deshalb meist relativ schnell einer Straftat zugeordnet werden.

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