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Pinguine frieren nicht

Pinguine frieren nicht

Titel: Pinguine frieren nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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der Schulter hielt an, wurde mal schwächer, verschwand, dann kam es wieder. Er faßte sich an die Schulter und erfühlte mit den Fingern einen langen Kratzer. Er stemmte sich auf die Ellenbogen und sah zu Nina hinüber, aber die lag schon mit dem Rücken zu ihm und schien zu schlafen.
    [451] Viktor stand auf, zog den Morgenmantel an und ging aus dem Zimmer.
    In der Küche entdeckte er zu seinem Erstaunen wieder den Pinguin in derselben Ecke zwischen dem Gasherd und der Wand. Mischa stand reglos in die Ecke gedrückt, aber auf seinem rechten Flossenflügel war ein roter Fleck zu sehen. Viktor schaute unter den Tisch und fand dort die Katze, die ihre funkelnden grünen Augen nicht von Mischa abwandte.
    Viktor packte sie im Genick, trug sie in den Flur hinaus und schloß fest die Küchentür.
    Viktor holte die Schere und entdeckte dann auch Mischas neue Kratzer. Er bestrich sie mit Jod. Dann tunkte er dieselbe Watte noch mal in das Fläschchen und betupfte auch seinen eigenen frischen Kratzer auf der Schulter. Er zeigte ihn Mischa.
    »Siehst du, ich habe auch was abgekriegt. Sie kratzen uns hier noch aus der Wohnung.« Viktor nickte dem Pinguin vielsagend zu. »Irgendwas an uns paßt den Damen hier nicht… Bei mir ist es klar, aber du, was hast du denn getan? Wärst du ruhig an deinem Platz geblieben. Warum kommst du immer hierher in die Küche?«
    Mischa senkte den Kopf und starrte auf den Boden, als erkannte er seine Schuld an.
    »Na, komm, ich bringe dich zu deiner Decke!« sagte Viktor zärtlich. »Und die Katze lassen wir dort nicht rein!«
    [452] 88
    Am nächsten Morgen ging Viktor als erstes einkaufen. Er gab endlich das Geld aus, das Sergej Pawlowitsch ihm gegeben hatte, um sich einzukleiden. Das Ganze ging glatt und rasch vonstatten. Es reichte für eine finnische Daunenjacke mit Kapuze, hohe Winterstiefel, Jeans und einen dunkelgrünen Pullover. Er kam nach Hause, schnitt die Schildchen ab und zog die Neuerwerbungen an.
    »Nicht schlecht«, nickte Ljoscha zu Viktors Wahl.
    Nina, die aus der Küche herausschaute, warf ebenfalls einen Blick auf die Neuheiten, sagte aber kein Wort.
    »Hör mal«, setzte Ljoscha nach einer Pause wieder an. »Hast du noch nichts zu tun für mich gefunden? Sonst kriege ich wieder Lust auf Wodka, vor lauter Nichtstun!«
    »Hab noch etwas Geduld«, bat Viktor seufzend. »Die Leute feiern noch!«
    Im Flur klingelte das Handy in der Katastrophenschutzjacke, und Viktor holte es schnell heraus.
    Es war Pascha mit der Bitte des Chefs, in einer Stunde zur Stelle zu sein.
    Eine Stunde später war Viktor bereits in Golossejewo. Vom fast unberührten gestrigen Schnee keine Spur mehr, alles war ausgetreten und plattgefahren von Füßen und Autos.
    »So, berichte!« befahl der Chef, nachdem er Viktor in einen Sessel im Salon gebeten hatte. »Was hast du ausgewählt?«
    »Nichts«, gestand Viktor.
    »Was soll das heißen?«
    [453] »Da war nichts Richtiges dabei«, versuchte Viktor möglichst überzeugend zu klingen. »Entweder Gauner oder einfach nur Verrückte…«
    »Und was schlägst du mir vor?« Sergej Pawlowitsch begann sich zu ärgern. »Übermorgen habe ich ein Live-Interview auf UT 1, und was soll ich ihnen dann von meinen guten Taten berichten?«
    »Sergej Pawlowitsch, vielleicht sollten wir diesem Kinderheim helfen? Erinnern Sie sich, wir haben sie hier zu Neujahr eingeladen…«
    »Und was wollen die?«
    »Nichts.«
    »Weshalb sollen wir ihnen helfen, wenn sie nichts haben wollen?«
    »Gerade deshalb!« erklärte Viktor entschlossen.
    »Kann schon sein«, entgegnete Sergej Pawlowitsch zögernd. »Also, dann setz dich schleunigst mit ihnen in Verbindung. Finde heraus, was sie brauchen. Los, ruf gleich von hier an! Du hast doch die Nummer?«
    Viktor nickte. Er wählte die Nummer des Kinderheims.
    »Ist dort Galina Michailowna?« fragte er, als er im Hörer eine Frauenstimme vernahm.
    »Ja, wer spricht da?«
    Viktor brachte der Leiterin sich und das Neujahrsfest in Erinnerung und hörte in ihrer Stimme vor allem Fassungslosigkeit.
    »Sie haben uns nicht vergessen!« sagte sie nur.
    »Galina Michailowna, sagen Sie mir, was brauchen Sie für das Heim?« bat Viktor. »Es gibt die Möglichkeit, Ihnen zu helfen…«
    [454] »Oh, ich weiß gar nicht… Vielleicht Geschirr, unsere Kinder essen in zwei Schichten. Unzerbrechliches wäre gut…«
    »Und für den Unterricht?«
    Als Antwort hörte er einen tiefen Seufzer.
    »Wissen Sie, Sie rufen so unerwartet an… Unsere Schulbücher sind alt,

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