Pinguine frieren nicht
Bedürfnisse. Auf der linken Pritsche lagen die PR -Berater-Zwillinge. Sie hatten offenbar geschlafen, aber beim Klappern der Tür wurden sie munter und setzten sich auf.
Handschellen vereinten die rechte Hand des einen Zwillings mit der linken Hand des anderen.
»Nun, wie geht es unseren Kanarienvögeln im Käfig?« fragte Sergej Pawlowitsch gedehnt und ging näher an sie heran. »Irgendwelche Beschwerden über die Behandlung?«
Einer der beiden schüttelte den Kopf. Viktor musterte verstohlen ihre Gesichter: Blaue Flecken oder Schrammen sah er keine.
Der Tarnanzügler zog ein paar doppelt gefaltete Blätter aus der Innentasche seiner Jacke und reichte sie dem Chef. Der faltete sie auseinander und las drei, vier Minuten lang aufmerksam.
»Aber mit wem habt ihr nun in der Sauna geredet?« fragte er die Zwillinge, als er den ›Aufsatz‹ zu Ende gelesen hatte.
»Das wissen wir nicht, das war Schora, der ihn kannte«, sagte der eine.
»Gut, ich gebe euch noch vierundzwanzig Stunden.« Er reichte dem ›gesprächigen‹ Zwilling die vollgeschriebenen [134] Blätter. »Erinnert euch und schreibt auf, was hier noch fehlt. Wenn ich sehe, daß in eurem Aufsatz etwas fehlt, was ich schon wußte, dann machen wir siamesische Zwillinge aus euch, und zwar ohne Narkose. Gehen wir!«
Der Tarnanzügler schloß die Zellentür und sah sich nach dem Chef um.
In der zweiten Zelle kniete Schora, grün und blau geschlagen und mit Handschellen an einen Ring in der Wand gefesselt. Als sie hereinkamen, drehte er sich langsam um.
»Na, Gauner aus Schitomir, erinnerst du dich wieder, mit wem du in der Sauna geredet hast?« Sergej Pawlowitsch ging in die Hocke und sah dem PR -Berater-Chef direkt in die Augen. »Weißt du, ich habe keine Zeit mehr zum Plaudern. Und es tut mir leid um das Geld für deinen Aufenthalt. Du denkst, du sitzt hier auf Staatskosten, Ratte? Ich bezahle für jeden Tag fünfzig Grüne. Und, ehrlich gesagt, sehe ich keinen Grund, weiter mein Geld zu verschwenden… Erst verstößt du grob gegen das Gesetz der Schnecke, und dann schweigst du auch noch!«
»Was denn für ein Gesetz?« stöhnte Schora.
Sergej Pawlowitsch erhob sich langsam aus der Hocke und seufzte. Er sah mitleidheischend zu Viktor hinüber, aber Viktor reagierte auf den Blick des Chefs überhaupt nicht. Er schlief schon im Stehen. Auch wenn er alles hörte und verfolgte, was in der Zelle dieses privaten Gefängnisses gesagt wurde.
»Sascha«, Sergej Pawlowitsch wandte sich an den Tarnanzügler, »wir werden den Patienten entlassen. Du pumpst ihn mit Drogen voll, und dann – nachts von der Brücke in [135] den Dnjepr… Unkenntnis des Gesetzes schützt nicht vor Strafe. Gehen wir.«
Viktor ging als erster hinaus, der Chef hinter ihm. Als ihr Begleiter Sascha die Zellentür abschloß, drang Rufen heraus. Sascha sah zum Chef hinüber. Der zeigte mit einer Geste: ›Nicht reagieren!‹ Und der Schlüssel drehte sich noch zweimal im Schloß. Schora rief wieder. Sergej Pawlowitsch stand da und betrachtete die verschlossene Eisentür aufmerksam. Dann bat er Sascha, die Zelle wieder aufzuschließen.
»Du wolltest was sagen?« fragte er Schora.
»Es war der ›Pate‹… Er war in der Sauna…«
»Und für wen arbeitet er? Für den Boxer?«
Schora nickte.
»Gut«, sagte Sergej Pawlowitsch nachdenklich. »Und entschuldige die Störung…«
»He«, ächzte Schora heiser. »Was ist das für ein Gesetz?«
Sergej Pawlowitsch drehte sich noch mal um.
»Dich betrifft Punkt fünf: ›Eindringen in ein fremdes Haus mit dem Ziel, den Hausherrn daraus zu vertreiben, wird mit dem Tod durch Ertränken bestraft.‹«
Die eiserne Zellentür schloß sich wieder.
»Gut«, sagte der Chef nach einer langen Pause zu Sascha. »Setz ihn nicht unter Drogen. Werft ihn einfach nachts von der Südbrücke. Wenn er’s bis an Land schafft – soll er leben! Los, wir fahren!«
»Und die Zwillinge?« fragte Sascha sachlich.
»Morgen sammelst du die ›Aufsätze‹ ein. Laßt dem Schweigsamen ruhig ein Zeichen im Gesicht, daß man sie [136] später leichter auseinanderhalten kann. Und sag ihnen: Wenn sie noch mal in Kiew auftauchen, machen wir wirklich ›Siamesische‹ aus ihnen! Sollen sie bei sich dort in Schitomir gaunern, oder nach Moskau gehen. Moskau verzeiht allen!…«
Über die menschenleere Nowo-Gostomeler Chaussee jagte Pascha den Geländewagen mit 180 Stundenkilometern. Vor dem Bezirks-Verkehrspolizeiposten bremste er ab, allerdings nicht der Polizisten
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