Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pinguine frieren nicht

Pinguine frieren nicht

Titel: Pinguine frieren nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
Vom Netzwerk:
zurück.
    »Willst du einen Kaffee?« fragte Ljoscha.
    »Ja, gern.«
    »He, Vollbart, wo bleibt mein Cappuccino?« ertönte eine heisere Stimme aus dem Saal.
    »Warte«, bat Ljoscha Viktor und widmete sich seiner Arbeit. Ein Luftstrahl zischte aus der verchromten Düse in den metallenen Sahnekrug.
    Viktor sah zu, wie geschickt Ljoscha als Barmann hantierte.
    Drei Minuten später setzten sie ihr Gespräch fort. Viktor erzählte von seiner Idee und der potentiellen Zustimmung des Chefs. Komischerweise brachte das Gehörte nicht das kleinste Leuchten in Ljoschas Augen.
    »Ich frag mal«, sagte er träge. »Und was will er als Gegenleistung? Unsere Stimmen bei der Wahl?«
    »Gar nichts! Nur, wenn alles klappt, kommen zur Übergabe der Prothesen ein paar Journalisten und Fotografen, damit die Wähler es erfahren…«
    »Ich hätte nicht gedacht, daß du mal in der Politik mitmischst«, bemerkte Ljoscha kopfschüttelnd.
    »Ich mische da nicht mit, es hat mich zeitweilig reingezogen, wie im Sumpf. Bald komme ich da wieder raus.«
    »Na ja!« sagte Ljoscha zweifelnd und seufzte. »Okay, bleib hier, ich kläre das schnell. Gut, daß der Chef da ist.« Er rollte hinaus in den Saal.
    ›Ich kläre das schnell?‹ wiederholte Viktor in Gedanken, während er Ljoscha hinterhersah.
    [128] Fünf Minuten später kam Ljoscha wieder hinter den Tresen.
    »Weißt du«, sagte er, »im Prinzip hat der Chef nichts dagegen, aber dann soll dein Chef noch etwas anderes für uns tun. Das ist uns wichtiger, verstehst du. Für mich zum Beispiel sind Prothesen das gleiche wie ein Smoking – einmal im Leben ziehe ich einen an, um vom Chef der Polizeiabteilung ›Organisierte Kriminalität‹ meine persönliche Granate in Empfang zu nehmen…« Ljoscha lachte. »Prothesen sind anstrengend… Also, wenn er uns einen Billardtisch mit kurzen Beinen bestellen würde, damit die Invaliden daran spielen können, dann darf er uns auch Prothesen schenken. Aber wir versprechen nicht, daß wir sie tragen, klar?«
    Viktor nickte. Auf seinem Gesicht zeichnete sich ein Gedanke ab, und Ljoscha starrte seinen alten Bekannten fragend an.
    »Ich glaube, das mit dem Billardtisch geht in Ordnung«, sagte Viktor lächelnd. »Mein Chef ist selbst ein leidenschaftlicher Spieler!«
    »Na, rede erst mal mit ihm, und sag es mir dann. Hier, nimm meine Visitenkarte, meine Nummer hat sich geändert. Da steht auch die Handynummer. Die Wahlen sind ja schon bald… Trinkst du einen Kognak?«
    Die letzte Frage kam unerwartet und irgendwie schon fast zu freundschaftlich. Viktor war einverstanden. Ljoscha goß ihnen beiden ein.
    »Weißt du«, sagte er, als er das Glas hob. »Diese Beerdigungen, damals mir dir und Mischa, das war für mich die schönste Zeit meines Lebens! Du verstehst das nicht… [129] Los, trinken wir auf die Vergangenheit! Sie ist immer besser als die Gegenwart.«
    »Und schlechter als die Zukunft«, ergänzte Viktor.
    »Na, das weiß niemand.« Ljoscha schüttelte den Kopf und kippte seinen Kognak mit einem Schluck hinunter.
    Viktor trank den Kognak langsam. Der Kognak schmeckte unerwartet gut.
    »Was ist das?« fragte Viktor mit einem Blick auf das Glas.
    Ljoscha zog die elegante Flasche aus dem Regal unter der Kaffeemaschine heraus und drehte sie zwischen den Händen.
    »Martell«, las er ruhig vor. »›Humanitäre Hilfe‹ von alten Freunden… Ich habe mich einmal damit so betrunken, daß ich danach im Traum die ganze Nacht herumgelaufen bin. Und morgens haben mir die Beine weh getan, als wären sie noch da… So, trink aus und geh, die Jungs mögen es nicht so, wenn Nichtinvaliden hier herumhängen!«
    Viktor nickte, drückte Ljoscha zum Abschied die Hand und verließ das Café, ohne noch mal nach rechts oder links zu schauen.
    21
    Die nächste Nacht zeigte Viktor, daß Wahlkampfarbeit entweder rund um die Uhr oder aber ausschließlich in Nachtschichten stattfand. Als er im Hochgefühl des bestens erledigten Auftrags nach Hause gekommen war, [130] hatte man ihn gleich in den Geländewagen gesetzt. Jetzt jagten sie durch das abendliche Kiew, und niemand fragte ihn nach dem Ergebnis seines Ausflugs. Sergej Pawlowitsch saß schweigend neben Pascha auf dem Beifahrersitz. Viktor begriff, daß die beiden auf ihn gewartet hatten, aber das hatte er ja nicht wissen können! Und sie erklärten ihm nichts, weder wohin sie fuhren noch warum.
    »Halte hier mal!« wies der Chef plötzlich Pascha an.
    Der Wagen bremste abrupt. Sergej Pawlowitsch drehte sich um.
    »Komm

Weitere Kostenlose Bücher