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Pinguine frieren nicht

Pinguine frieren nicht

Titel: Pinguine frieren nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Geburtsjahr?« fragte er Sewa.
    »Noch nicht.« Sewa entzündete ein Streichholz und steckte sich eine Zigarette an. »Wieso fragen, sie lügen sowieso! Föderale, die sagen immer die Wahrheit.«
    »Mir ist egal, ob sie lügen oder nicht, das machen sie mit ihrem Gewissen ab. Hauptsache, wir haben einen Namen und tragen ihn hier ein! Jedes Unternehmen, besonders so eines, schätzt Genauigkeit und Dokumentation!«
    »Wenn sie ihn holen kommen, kannst du sie ja fragen!« unterbrach Sewa Asa grob.
    Asa seufzte, holte auch eine Zigarette heraus und zündete sie an.
    Fünfzehn Minuten später kamen die beiden Tschetschenen zurück. Sie leuchteten mit der Taschenlampe in die Baracke, dann sahen sie sich um.
    »Und jetzt?« rief einer der beiden, der sich vorgebeugt und das Trio unter dem Baum entdeckt hatte.
    Sewa erhob sich.
    »Alles in Ordnung… Sag uns noch Namen und Geburtsjahr von dem im Rohr!«
    [274] »Warum?« fragte der Tschetschene.
    »Für die Buchführung«, antwortete Asa an Sewas Stelle. »Der Tod, das ist Staatssache, den muß man ernst nehmen. Wenn sie später jemand suchen, finden sie heraus, daß er hier eingeäschert wurde, und sind beruhigt!«
    »Das ist richtig!« sagte der Tschetschene in fast akzentfreiem Russisch. »Ilias Schadojew, Jahrgang 80, aus Nischnije Atagi… Sonst noch was?«
    »Sonst nichts«, antwortete Asa ruhig, schlug das Buch auf und trug im Schein seiner Taschenlampe alles ein. Dann wies er Sewa mit dem Kopf Richtung Krematoriumsbaracke.
    Jetzt lief der Viktor schon bekannte technologische Prozeß wieder ab, nur in umgekehrter Reihenfolge. Unter Sewas Anleitung schloß Viktor die Ventile, von dem der Ofenröhre nächsten bis zu den entferntesten. Sewa beobachtete aufmerksam die Anzeiger. Dann öffneten sie die große Luke und warteten ein wenig, bis die erste Welle heißer Luft sich in der Baracke verteilt und die allgemeine Temperatur erneut bis auf Saunahitze gebracht hatte. Danach öffneten sie auch die zweite Luke und traten auch hier sofort ein paar Schritte zur Seite. Aber von hier kam keine besondere Hitze, nur beißender, schwefeliger Geruch breitete sich in der Baracke aus. Viktor nieste.
    »Nimm den Eimer!« kommandierte Sewa und wies mit dem Strahl seiner Taschenlampe in die nächstgelegene Ecke der Baracke.
    Viktor stellte den Eimer unter den unteren Rand der inneren Feuerungsröhre und trat wieder beiseite. Jetzt ging dort Sewa mit einem langstieligen, feinen Kehrbesen ans [275] Werk. Er fuhr mit ihm in die Feuerung und zog ihn im Zurücktreten an sich heran. Als das horizontale Borstenende fast den Rand der Röhre erreicht hatte, hielt Sewa inne und schob nun schon sorgsamer die Asche des kremierten Mannes in den untergestellten Eimer. Das seltsame Geräusch, ein fast unhörbares Aufschlagen auf dem Eimerboden von etwas, das kein natürliches Gewicht mehr hatte, ließ Viktor an das Päckchen denken, das er und Nina damals mit der Post bekommen hatten. Es war groß und leicht gewesen, und bevor sie begriffen, was es enthielt, hatte Viktor ein Rascheln und Rauschen von etwas unfaßbar Gewichtslosem gehört. Erst danach kamen Verwunderung, Entsetzen und Staunen – wie konnte von einem Menschen so wenig übrigbleiben? Wohin war alles übrige gegangen? Gar nicht mal der Körper, sondern das, was einen Menschen konkret und lebendig machte. Seine Erlebnisse, seine Prinzipien, seine glücklichen Augenblicke.
    Auf den Eimerboden schlug plötzlich etwas Metallisches, und Sewa sprang sofort hin, schob den Besen zurück in die Röhre und leuchtete in den Eimer. Er zog etwas heraus.
    »Der erste Fang!« sagte er zu Viktor.
    Er zeigte ihm im Licht seiner Taschenlampe ein Stückchen gelbes Metall.
    »Der Ehering ist geschmolzen!« erklärte er. »Bei ihnen ist es wohl ein böses Omen, wenn man den Toten das Gold abnimmt… Aber hier muß man nichts abnehmen, es tropft von selbst!«
    Als er die Schritte hörte, versteckte er das Gold in der Jackentasche und leuchtete den Schritten entgegen. Asa [276] kam. Er nahm den Eimer, wog ihn in der Hand und stellte ihn wieder ab.
    »Zu wenig«, sagte Asa. »Man muß sie achten. Es sind gute Leute. Gib noch was drauf!«
    »Aber da ist nichts mehr.« Sewa leuchtete mit der Taschenlampe in die Feuerung.
    »Habe ich denn gesagt, du sollst es dort rausholen?«
    Sewa nickte, nahm den Eimer und ging in eine andere Ecke der Baracke, in der ein großes Benzinfaß stand.
    Wieder hörte Viktor das Rascheln von etwas Gewichtslosem. In der erkalteten und

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