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Pinguine frieren nicht

Pinguine frieren nicht

Titel: Pinguine frieren nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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Die Luke der inneren Röhre war ein klein wenig nach innen gewölbt.
    »Bei drei fassen wir hin und ziehen den Griff fest zu uns, mit einem Ruck. Verstanden?« Sewa sah Viktor gereizt an, als hätte der bereits irgendwas falsch gemacht.
    »Eins, zwei, drei!« rief Sewa, und zu zweit streckten sie die Hände nach der inneren Luke aus und zogen sie auf. Von dort drang auch Hitze heraus, nur hatte diese neue Hitze noch irgendeinen eigenen Geruch, der in die Nase stieg und Viktor zum Niesen brachte.
    »Ladet ihn rein!« Sewa wandte sich zu den Tschetschenen und wies mit einer Kopfbewegung auf den Leichnam zu ihren Füßen.
    Die Tschetschenen reagierten nicht sofort. Sie standen ein paar Minuten still, mit gesenkten Köpfen, bevor sie den Körper sorgsam hochhoben. Sewa trat von der Luke weg. Der Körper des Mannes glitt mit dem Kopf voran leicht in die innere Röhre. Nur die Stiefelsohlen guckten noch heraus.
    »Zieht ihm die Schuhe aus«, bat Sewa.
    Einer der Ankömmlinge seufzte, zog dem Leichnam die Stiefel von den Füßen und warf sie in die Ecke.
    »Kommt in zwei Stunden wieder!« sagte Sewa zu ihnen.
    [271] Sewa sah den Tschetschenen hinterher, dann nickte er Viktor zu und wies mit dem Kopf auf die beiden offenen Luken. Erst drückten sie zu zweit mit aller Kraft gegen die Luke der inneren Röhre, bis ein Knacken bestätigte, daß sie fest zu war. Dann schlossen sie die zweite, äußere.
    Sewa trat an das Ventil. Je weiter er das Ventil aufdrehte, desto stärker wuchs in der Röhre das Toben und Lärmen an. Sewa leuchtete mit der Taschenlampe auf den Anzeiger und drehte noch ein wenig weiter auf. Dann sah er auf seine Uhr und winkte Viktor, der allen seinen Bewegungen gespannt gefolgt war, zur offenen Tür.
    Das Toben in der Krematoriumsröhre war auch von draußen zu hören.
    »Irgendwann fliegt es in die Luft!« bemerkte Sewa mit einem Seufzer und zog eine Zigarette aus einem Etui.
    »Zeig mal«, bat Viktor mit Blick auf das Etui.
    Schweres, angenehm anzufühlendes Edelmetall landete in seiner Hand. Auf dem Deckel war etwas eingraviert.
    »Leuchte mal!« bat Viktor.
    Sewa zückte lässig die Taschenlampe, und in ihrem Licht las Viktor: ›Hauptmann Chwojko zur Verlängerung der Zigarettenpausen. Von den Regimentskameraden. Tschetschenien, Grosny 1997‹.
    »Guck mal auf die Rückseite!« riet Sewa.
    Auf der Rückseite war etwas auf georgisch eingraviert.
    »Woher hast du das?« fragte Viktor.
    »Die Föderalen haben damit bezahlt, statt Geld. Hier kommst du öfter an so was. Da, schau mal!« Er streifte seinen linken Jackenärmel hoch und zeigte Viktor seine massive Armbanduhr. Er leuchtete auf das Zifferblatt.
    [272] »Eine Rolex?« staunte Viktor. »Eine echte?«
    »Na, keine chinesische jedenfalls! Chinesische gibt es hier wie Unkraut. Nein, die war auch ein Geschenk. Da, auf der Rückseite steht: ›Unserem lieben Trottel, dem Direktor der Tabakfabrik, zum Geburtstag von den dankbaren Kollegen‹.«
    Sewa schnalzte zufrieden mit der Zunge und ließ die Uhr wieder unter dem Ärmel verschwinden. Die Lampe erlosch.
    »Wenn du gut arbeitest, bleibst du auch nicht arm!« fügte er noch hinzu, dann schwieg er.
    In der Stille war nur das mächtige Bullern des in der Röhre eingeschlossenen Feuers zu hören. Da schrie ein Vogel, und Viktor sah nach oben in den schwarzen Himmel, in dem sich der schwarze Rauch verlor. Die Wipfel der Bäume waren jetzt ganz ruhig, als würden sie auf das lauschen, was hier vor sich ging. Viktor fror wieder. Er schlug den Jackenkragen hoch und machte die Augen zu. Dabei fühlte er auf der Haut im Gesicht immer noch die trockene, beißende Hitze, die ihm vor zwanzig Minuten aus dem Rohr entgegengeschlagen war.
    48
    Die Zeit verstrich unendlich langsam, und nach Viktors Gefühl hätten die zwei Stunden, die Sewa für das Verbrennen der Leiche angesetzt hatte, längst um sein müssen. Aber die Zeiger der Uhr sagten das Gegenteil. Viktor schaute immer mal wieder hin, und ihm kam es vor, als ob [273] die Zeit völlig stehengeblieben wäre, zusammen mit der Erddrehung und allen anderen physikalischen Gesetzen der Bewegung.
    Aber das Bullern in der Krematoriumsbaracke ging weiter. Manchmal mischten sich Windstöße und Schreie von Nachtvögeln hinein. Und jetzt plötzlich menschliche Schritte. Der glatzköpfige Asa kam mit einer Taschenlampe und schwenkte ihren Lichtstrahl über Viktor und Sewa hin. Er setzte sich zu ihnen, in der Hand ein dickes Heft und einen Stift.
    »Hast du Name und

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