Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pinguine lieben nur einmal

Pinguine lieben nur einmal

Titel: Pinguine lieben nur einmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kyra Groh
Vom Netzwerk:
recht hat… Ich bin zu Hause vom Bett aufgestanden, habe meine schlabbrige Jogginghose gegen eine schlecht sitzende Jeans getauscht, bin zum Bahnhof gelaufen und in den nächsten Zug gestiegen. Im Grunde ist es sehr schmeichelhaft, wenn sie behaupten, ich sähe aus wie ausgekotzt, denn dann sähe ich wenigstens in gewissem Maße nach organischer Materie aus. Dabei bin ich vom Prädikat lebendig meilenweit entfernt.
    Grob beschönigend sehe ich zurzeit so aus:
    Meine Augen sind geschwollen und haben noch dazu die Farbe von überreifen Tomaten. Ich habe mir seit drei Tagen die Haare nicht gewaschen– traurig, aber wahr. Meine Gesichtsfarbe schwankt zwischen einem dunklen Beige und einem hellen Graugrün. Meine Fingernägel sind so dermaßen abgeknabbert, dass sie faktisch nicht mehr vorhanden sind. Den grauen Pulli trage ich seit fast einer Woche. Es ist Janoschs. Langsam hört er auf, nach ihm zu riechen, und beginnt nach mir zu riechen, und ich rieche gerade nicht besonders gut. Ich bilde mir ein, an manchen Stellen noch Funken von Janoschs Geruch aufstöbern zu können. Ich würde gerne beschreiben, wie Janosch riecht, aber– mal davon abgesehen, dass es sowieso schwierig ist, Menscheneigengeruch zu umschreiben– es wäre eine Anmaßung, dies mit seinem Geruch auch nur zu probieren.
    Sicherlich sieht es bescheuert aus, als Kirsten und Sophie je einen Arm um mich legen und wir zu Sophies Auto trotten, aber es fühlt sich gut an.
    Sophie hat mich unter ihre Dusche gestellt und mir einen Kaba gemacht. Kirsten bearbeitet mich derweil in Sachen Abendgestaltung.
    »Wenn wir hierbleiben und irgendeinen schwachsinnigen Film gucken, kocht bloß alles wieder hoch. Wir gehen zu diesem komischen Drei-Euro-Cocktail-Dingsbums, und gut ist. Du musst schließlich weiterleben. Auch wenn das jetzt total geschwollen klingt: Du kannst doch nicht so rumgammeln und darauf hoffen, dass von selbst alles gut wird. Hab Spaß!«
    Ich will mir nicht die Mühe machen, ihr zu sagen, dass ich keinen Spaß haben will, weil ich es sowieso nicht erklären kann. Also ergebe ich mich und willige ein, in den Cocktails-nur-drei-Euro-Club zu gehen.
    Im Badezimmer von Sophies Eltern liegt die Geo. Während Sophie und Kirsten anfangen, sich herauszuputzen, hocke ich auf dem Klodeckel und sehe mir die Bilder in der Zeitschrift an. Ein Foto zeigt Hunderte Pinguine mit ihren Jungtieren. Aus der Bildunterschrift erfahre ich, dass Pinguine in streng monogamen Beziehungen leben.
    Warum sind Menschen nicht einfach ein bisschen mehr so wie Pinguine? Warum hat es die Evolution überhaupt so eingerichtet, dass wir unsere Partner wechseln möchten ? Man mag zunächst denken, dass das toll ist, Ausdruck unseres freien Willens und so weiter, aber das denkt man doch nur, weil man es sich nicht anders vorstellen kann. Ich meine es ernst: Warum sind wir nicht einfach so programmiert, dass wir irgendwann kurz nach der Geschlechtsreife einen Partner finden, den wir dann nie mehr verlassen? Das macht alles nur kompliziert. Warum ist dieses Verlassen überhaupt in unseren Köpfen drin? Warum brauchen wir immer Abwechslung? Obwohl Menschen Sicherheit lieben, wollen sie trotzdem ständig einen Tapetenwechsel. Begreifen wir denn nicht, dass wir dadurch die Sicherheit nur gefährden? Die Pinguine haben das irgendwie besser verstanden. Sie streiten sich nicht, sie sind zufrieden miteinander, sie kommen gar nicht erst auf die Idee, sich wegen Zigaretten oder Nemo oder Exfreundinnen zu zoffen. Allein weil sie gar keine Exfreundinnen haben.
    Ich blättere um und erfahre, dass Menschen und Delphine die einzigen Lebewesen sind, die zum Vergnügen Sex haben. Noch so eine evolutionäre Panne. Dass wir unfähig zu Monogamie sind, geht also damit einher, dass wir Sex primär zum Zeitvertreib haben. Genau aus diesem Grund zerbreche ich mir den Kopf über Karo. Aus diesem Grund bin ich eifersüchtig. Weil ich befürchte, dass mit ihr irgendwas besser gewesen sein könnte als mit mir. Wenn Janosch und ich Pinguine wären, dann hätte es nie eine Karo gegeben, mit der er besseren Sex hätte haben können als mit mir. Wir hätten uns nie gestritten, irgendwann hätte ich ausschließlich zu Fortpflanzungszwecken ein Ei gelegt, und Janosch hätte es ausgebrütet, und all das hätte ich nie auch nur eine Sekunde in Frage gestellt.
    Ich wünsche mir vom Christkind, ein Pinguin zu sein.
    Fast rechne ich damit, dass mich der tätowierte Schrank an der Tür nicht reinlässt, als er meinen grauen

Weitere Kostenlose Bücher