Pinguine lieben nur einmal
Männerpulli, dessen Schulterabnäher näher an meinen Ellbogen als an meinen Schultern hängen, kritisch beäugt und uns drei dann fragt: »Gehört ihr zusammen?«
»Sieht ganz so aus, oder?«, antwortet Kirsten.
Der Schrank erweist sich als nicht besonders schlagfertig. Er nickt und winkt uns in die Disco, die zum Bersten voll ist. Ich will wieder heim.
Sophie wird sofort von einem Typen angesprochen, und Kirsten trifft einen Kommilitonen, nur mich quatscht natürlich keiner an. Daran bin ich zwar gewöhnt, aber heute kann ich es wenigstens niemandem verübeln. Ich würde in meiner Gegenwart nicht mal atmen wollen.
» OHMEINGOTTFELIDASGIIIIIIIIBTSJAGARNICHT !!!«
Ja, das gibt’s echt nicht.
Auf dieser unserer Erde hausen sieben Milliarden Menschen. In diesem Club sind heute Abend ungefähr siebenhundert davon (vielleicht auch siebentausend, ich kann nicht besonders gut schätzen), und ich treffe in genau dieser Sekunde, auf diesem halben Quadratmeter ausgerechnet Pia.
Sie sieht gut aus. Plötzlich erinnert sie mich noch viel mehr an Janosch. Ihre Haarfarbe. Ihre Augenfarbe. Sie riecht sogar ähnlich. Pia umarmt mich, und ich will sie kaum loslassen. Ich will alles, was mich an ihr an Janosch erinnert, aufsaugen und nicht mehr hergeben. Ich will mit ihr über ihn reden. Vielleicht ist ja irgendetwas passiert. Vielleicht hat er von mir gesprochen. Vielleicht vermisst er mich. Vielleicht bereut er alles. Vielleicht traut er sich auch einfach nur nicht, mich anzurufen.
»Geht’s dir gut?«, brüllt sie mir entgegen.
Ich würde gerne antworten: Sehe ich so aus? Oder: Ja, klar, was denkst du denn?
»Ja… ähm… okay.«
»Schön. Hey, es kommt mir vor, als hätten wir uns ewig nicht gesehen. Ich war schon seit zwei Wochen nicht mehr bei Janosch, daran wird’s liegen. Wenn man sich sonst jede Woche sieht, fehlt einem dann was, stimmt’s?«
Wovon zum Henker spricht sie da?
Wieder antworte ich nur: »Mhm… ja.«
»Was ist los mit dir? Du bist so still! Ist wirklich alles okay?«
In dem Moment wird mir klar, dass sie es nicht weiß. Er hat es ihr nicht gesagt. Er hat ihr nicht erzählt, dass er es bereut oder dass er mich anrufen will oder dass er mich vermisst. Er hat ihr gar nichts erzählt. Was soll ich jetzt sagen? Soll ich es ihr sagen?
Sie wartet meine Antwort gar nicht ab, sondern stellt noch mehr Fragen, die mir wehtun. »Sag mal, ist das nicht Janoschs Pulli? Wie süß, dass du den trägst. Kommst du am ersten Weihnachtsfeiertag mit zum Essen? Du bist natürlich auch morgen bei uns willkommen, wir feiern zu Hause, also bei Markus, Paul und mir, aber du wirst den Abend mit deiner eigenen Familie verbringen wollen, richtig?«
»Ja, richtig.« Ich schlucke schwer. Reiß dich zusammen, Felicitas, lass die ständige Heulerei. »Am ersten Weihnachtsfeiertag bin ich bei meinem Vater. Da kann ich auch nicht.«
»Dann am zweiten. Oder zwischen den Jahren. Ach, spätestens an Janoschs Geburtstag sehen wir uns sowieso. Mittags gibt’s Kaffee und Kuchen mit den verstaubten Verwandten, und abends bringst du einfach so viele Freunde mit, wie du willst, und wir feiern zusammen Silvester. In Janoschs Wohnung. Das wird super.«
»Ja, bestimmt. Du, ich… ich… m-m-m-muss mal auf die… auf die T-T-Toilette.« Damit schiebe ich mich an ihr vorbei und höre noch, wie sie mir etwas hinterherruft.
Ich beeile mich, vor ihr zu fliehen.
24. DEZEMBER _ 0 TAGE, 7 TAGE:
MÄNNER SIND AUCH MENSCHEN, MÄNNER SIND ETWAS SONDERBAR
An Heiligabend hält sich der Fahrplan der Deutschen Bahn in Grenzen. Daran hätte ich vielleicht mal denken sollen, bevor ich über hundert Kilometer fernab meines Elternhauses bei Sophie übernachtet habe. Jetzt fällt mir nur spontan ein, meine Mutter oder meinen Vater zu bitten, mich abzuholen. Aber ich kann mir die Unterhaltungen schon vorstellen. Beide haben am Heiligen Abend natürlich Besseres zu tun, als zwei Stunden im Auto zuzubringen, um mich nach einer unerträglich langen Partynacht (die alles in allem nicht besonders partymäßig war) einzusammeln. In meinem Kopf hallt die Stimme meiner Mutter wider, die mir vorwirft, ich müsse allmählich alt genug sein, um weitsichtig zu handeln und mich zu organisieren. Ich will mich aber nicht organisieren. Das klingt, als wäre es anstrengend
Am Ende fährt mich Sophie nach Hause. Ich kann gar nicht ausdrücken, wie nett das von ihr ist. Bestimmt rührt auch diese humanitäre Geste von ihrer christlichen Erziehung her. Eine gute Tat pro
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