Pinguine lieben nur einmal
wollten.«
»Warum?«
»Pathologische Disziplinlosigkeit.«
Offenbar war das lustig, denn Janosch lacht.
Dadurch bestärkt rede ich weiter und riskiere damit wieder einmal, übers Ziel hinauszuschießen: »Wirklich! Ich hab versucht, mit Cem Ramadan zu machen. Aber das ganze Kein-Essen-kein-Trinken-kein-Fluchen-kein-Sex-Ding ist irgendwie nichts für mich.«… Habe ich ernsthaft Sex gesagt??? Als wäre es für mich schwer, so eine beknackte Mondsichel lang auf Sex zu verzichten. Das Angebot richtet sich schließlich nach der Nachfrage. Bei mir fragt niemand nach, also biete ich mich schon gar nicht mehr an. Das ist simpelste Wirtschaftstheorie.
»Wegen welcher dieser Aspekte genau?«, fragt Janosch schmunzelnd.
Ich beschließe, darauf besser nicht zu antworten. In meiner momentanen Verfassung würde ich wahrscheinlich laut SEEEEEX ! brüllen anstatt ESSEEEEN ! und damit einen gänzlich falschen Eindruck vermitteln. Stattdessen stelle ich eine Gegenfrage: »Musstest du noch was erledigen?«
»Wieso?«
»Du bist eine Station zu früh aus dem Bus ausgestiegen.«
Janosch räuspert sich und steckt den Schlüssel ins Türschloss.
»Hast du dich vertan?«, frage ich, weil ich denke, dass es ihm vielleicht peinlich sein könnte, es zuzugeben. Dann wird mir bewusst, dass ich ein ganz schöner Tölpel bin, ihn direkt danach zu fragen.
Genervt antwortet Janosch: »Weißt du, sie sagen neuerdings die Namen der Bushaltestellen über Lautsprecher durch, damit nicht mal ich Depp mich irren kann.«
Es ist zum WAHNSINNIG Werden mit ihm!
Er betritt seine Wohnung. Ich stürme ihm kurzerhand hinterher.
»Du bist so was von unfair! Du weißt genau, dass ich das überhaupt nicht so gemeint habe!« Woher diese Worte kommen, die ich eben noch leise in meinem Schädel gedacht habe, weiß ich nicht. Ich habe sie nur unfreiwillig laut ausgesprochen.
Janosch zeigt keinerlei Reaktion. Das ist gemessen an der Tatsache, dass ich gerade ungefragt seine Wohnung betreten und ihn angebrüllt habe, durchaus bewundernswert.
Ich schließe die Tür hinter mir, weil er mich schließlich nicht aufgefordert hat zu gehen. Er hat mich zwar auch nicht aufgefordert zu bleiben, aber ich drehe mir die Dinge gerne so hin, wie sie mir passen.
»Ich musste mal an die Luft«, sagt er plötzlich.
»Was?« Ich verstehe nicht.
»Ich bin die letzten Meter zu Fuß gegangen, weil ich mal durchatmen musste.«
»Hattest du Stress? In der Uni, meine ich.«
»Ich bin den ganzen Tag von einer dummschwätzenden Kunststudentin verfolgt worden und musste einfach mal Luft atmen, die nicht nach Erdbeerkaugummi stinkt.«
Das erfüllt mich mit Genugtuung und Schadenfreude. Einen Moment lang überlege ich, Janosch auf das anzusprechen, was ich gehört habe. Dass seine Mutter offensichtlich die Kaugummitante dafür bezahlt hat, aber im Grunde geht es mich nichts an. Und der Stimmung wäre es bestimmt auch nicht dienlich.
Janosch hängt seine Jacke auf einen Haken und beginnt, in der Küche zu hantieren. Er setzt Wasser auf und verschwindet dann durch eine Tür, die ins Bad führt. Durch den Türspalt sehe ich weiße Fliesen.
»Was studierst du eigentlich?«, ruft er.
Im ersten Moment weiß ich gar nicht, was ich antworten soll, weil ich so geplättet bin. Er zeigt Interesse an mir. Das hat er bisher nie so richtig gemacht. Bisher hat er immer nur festgestellt, nie gefragt.
»Ähm. Anglistik.« Ich lege meinen Ordner auf Janoschs Couch ab.
»Lehramt oder Bachelor?«
»Bachelor.«
»Na, Gott sei Dank.«
»Ja, ich wäre kein guter Lehrer.«
»Denke ich auch.«
Denkt er auch? Vielen Dank! Er ist wirklich kein besonders guter Mitspieler für mein fishing-for-compliments -Spiel.
»Was ist dein Nebenfach?«
»Englische Literatur.«
»Ja, das passt.«
»Wirklich?«
»Ja. Mir war klar, dass du Geisteswissenschaften studierst. Du redest nämlich sehr viel, hat dir das schon mal jemand gesagt?«
»Ist schon vorgekommen, ja.«
Es macht mich ganz verrückt, dass wir unsere erste richtige Frage-Antwort-Unterhaltung durch eine Wand hindurch führen.
»Welches Semester?«, fragt Janosch knapp.
»Drittes. Was studierst du denn?«
Der Wasserkocher pfeift. »Kümmerst du dich bitte mal drum?«
Irgendwas an dieser Frage lässt mich breit grinsen. Wie er das fragt. Als wären wir eingespielt, als wäre es Routine, dass ich hier bin und mich um das Teewasser kümmere.
»Ja klar.« Ich eile hinter die Küchenzeile und stelle den Wasserkocher aus. Dann suche ich
Weitere Kostenlose Bücher