Pinguine lieben nur einmal
Sonntag?«
»Mpfpfmmhh… nixssss.«
Er streicht die Härchen aus meinem Nacken und fragt leise: »Kommst du mit auf Pias Hochzeit?«
Plötzlich sitze ich aufrecht im Bett und starre ihn an.
KOPFLOSIGKEIT
Mir fällt auf, dass alle Klischeesprüche, die Frauen angeblich immer sagen, auf mich zutreffen. Und zwar wirklich und überzeichnet. Wenn ich sage, ich bin unordentlich, dann stimmt das absolut. Jede Frau, die von sich behauptet, unordentlich zu sein, kann von meinem Zimmer noch was lernen. Diese Frauen werden bei mir blass vor Selbstüberschätzung. Wenn ich sage, ich bin zu dick, dann stimmt das ebenfalls. In einem Buch (Titel vergessen) von Ildiko von Kürthy trennt sich die Hauptperson (Namen vergessen) von ihrem Freund (ebenfalls Namen vergessen) und berichtet, das Positive an der Trennung sei, dass sie nun, drei Wochen später, wegen zu viel Kummer und Appetitlosigkeit endlich Idealgewicht habe. Hallo? Betonen wir das noch mal: Nicht NORMAL gewicht, sondern IDEAL gewicht, das liegt ja bekanntlich gefühlte dreißig Kilo unter dem Normalgewicht, also dem, was die normale Frau so mit sich herumschleppt. Wie kann das sein? Wer in drei Wochen Idealgewicht erreichen kann, soll sich mal nicht aufregen. Wenn ich das könnte, würde ich durch die Lande wandeln und jedem Passanten mein Gewicht entgegenbrüllen!
Ebenso wie es stimmt, wenn ich sage, dass ich unordentlich und unzufrieden mit meiner Figur bin, trifft es zu, wenn ich sage, dass ich zu wenig Klamotten habe. Ichbin keines von den Mädchen, die den ganzen Schrank voll mit nichts zum Anziehen haben. Ich gehöre zu dieser kleinen Minderheit, bei der wirklich nicht allzu viel im Schrank hängt. Schon gar nichts für eine Hochzeit.
Als ich das letzte Mal auf einer Hochzeit war, da war ich zwölf. Für eine Zwölfjährige ist hochzeitstauglicheschicke Kleidung anders definiert als für eine Zwanzigjährige. Obendrein habe ich den leisen Verdacht, dass mir das Outfit von damals nicht mehr allzu gut passt.
Den Tag von Pias Hochzeit erachte ich als meine Bewährungsprobe. Janoschs Eltern, Omas und Opas und alle anderen Verwandten werden da sein und mich auf Herz und Nieren prüfen. Ich sehe mich schon wie Ben Stiller in dieser Komödie Urnen zerbrechen und die ascheförmige Urgroßmutter im Raum verteilen. Ich bin doch so ein Trampel. Ein Trampel, der nichts anzuziehen hat.
Mich packt die Panik. Leider kann ich nicht den Schwanz einziehen, denn ich habe zugesagt. Es ist schon Freitag, die Feier ist in zwei Tagen, und Janosch zählt auf mich. Die Hochzeit findet im kleinen Kreis statt– trotzdem bin ich eingeladen, weil ich anscheinend zu diesem kleinen Kreis gehöre. Das spricht dafür, dass Janosch die Sache mit uns sehr ernst nimmt. Es fühlt sich zwar schön an, in den kleinen Kreis einer fremden Familie aufgenommen zu werden, aber gleichzeitig schreit jede Zelle meines Körpers: HILFE !!
Ich lege mich flach aufs Bett mit den Händen über den Augen. Kleiner Kreis. Sonntag. Familie. Freunde. Ich mittendrin. Nichts anzuziehen.
Also gehe ich einkaufen und schlage mich dabei mit einer Mischung aus Passt nicht!, Sieht scheiße aus! und Steht mir nicht! herum. Das Spektrum an negativen Aspekten, die meine Auswahl umfasst, ist endlos weit. Ganz im Gegensatz zu der Hose, in die ich im Moment zu passen versuche– die ist endlos eng.
Dann ist es auf einmal Sonntag. Ich bin ein Wrack. Ich bin so nervös, dass mir schlecht ist. Ist irgendwie komisch, Janoschs Familie bei einer intimen Hochzeit kennenzulernen. Ich fühle mich wie eine Einbrecherin. Hinzu kommt natürlich das übliche Was-ist-wenn-sie-mich-nicht-mögen-Ding. Das kann ich jetzt aber auch nicht ändern.
Janosch hat vorgeschlagen, dass wir in seinem alten Zimmer in seinem Elternhaus übernachten, was ich teils schön und teils schrecklich finde. Ist es nicht noch viel zu früh, um seine Familie kennenzulernen? Wir treffen uns gerade mal ein paar Wochen. Nach meiner Definition sind wir erst seit etwa drei oder vier Wochen wirklich zusammen.
Die Badezimmerprozedur liegt schon hinter mir. Die Haare sind gebügelt, das Düftchen ist aufgelegt, die Äuglein sind geschminkt, und ich habe sogar Make-up aufgetragen. Das mache ich nur selten, weil ich ein Talent dafür habe, zu viel zu nehmen.
Angezogen drehe ich mich vorm Spiegel hin und her. Schwarze Hose geht ja immer und das türkisfarbene Shirt mit dem grauen Strickjäckchen hoffentlich auch. Ich wanke in meinen Abiballschuhen im Zimmer umher,
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