Pinguine lieben nur einmal
obwohl mir schon in dem Augenblick, als ich sie anzog, klar war, dass das nichts werden würde. Ich sterbe in diesen Schuhen. An meinem Abiball hatte ich sie keine zwei Stunden an, ehe ich zum Tanzen zu Chucks gewechselt habe. Wer zum Henker hat sich bloß Absatzschuhe ausgedacht? Ich wette, es war Sophie! Die macht auch in Tausend-Meter-Absätzen noch eine gute Figur. Ich dagegen kann mich schon auf popeligen drei Zentimetern kaum halten, geschweige denn laufen. Beim Fortbewegen sehe ich aus wie ein sehr unelegantes Trampeltier mit motorischen Schwierigkeiten. Jede Frau, die behauptet, sie habe Absatzschuhe, die soooo bequem seien, dass sie darin problemlos Gold im Langstreckenlauf holen könne, lügt. Aber so was von. Genau wie die Menschen, die sagen, sie bräuchten Sport zum Glücklichsein.
Ich kicke die Schuhe durch den Raum, meine Füße atmen erleichtert auf und preisen meine Güte. Damit habe ich die Wahl zwischen Chucks und Chucks und entscheide mich spontan für mein sauberstes, intaktestes lila Paar. Was passiert, wenn ich bei einer Hochzeit in Converse auflaufe, weiß ich nicht, aber es wird sicherlich weniger wehtun als ein Abend in schwarzen Lederpumps.
So tapse ich zu Janosch und klingele bei ihm. Als er »Ist offen!« ruft, drücke ich die Tür auf. In seiner Wohnung läuft leise Musik, und ich höre ihn im Schlafzimmer dazu mitsummen. Ich folge dem Summen. Er sitzt auf der Bettkante und bindet sich schlichte schwarze Turnschuhe zu. Er trägt dunkle Jeans, ein weißes Hemd, ein schwarzes Jackett und eine schmale schwarze Krawatte. Weiß jemand, wie sehr ich auf Krawatten stehe? Wenn Janosch mir jetzt ein paar nette Sachen sagt und mich schön küsst, würde ich ihm in diesem Aufzug wahrscheinlich ohne mit der Wimper zu zucken Kontovollmacht erteilen.
»Wow«, sage ich, fahre ihm durch die Haare und ziehe an der Krawatte, die wie durch ein Wunder perfekt gebunden aus seinem Hemdkragen herauswächst.
Janosch verzieht das Gesicht. »Ich bin Pias Anziehpüppchen. Auf meinem Mist ist das nicht gewachsen.« Er steht auf, legt seine Hand gegen meine Wange und küsst mich. »Schön, dass du mitkommst.«
Hiermit übertrage ich die Vollmacht über alle meine Konten auf Janosch Winter.
»Fahren wir zum Standesamt?«, frage ich.
»Nee. Wir fahren gleich zu uns nach Hause. Die Standesamt-Nummer machen Pia und Markus nur mit den Trauzeugen und ihren Eltern. Hast du Cems Auto?«
»Was?«
»Du hast am Donnerstag gesagt, dass du Cem fragen willst, ob du dir sein Auto leihen kannst.«
Ja, stimmt. Selbstverständlich habe ich das gesagt. Ebenso selbstverständlich habe ich aber vergessen, Cem danach zu fragen.
»Gib mir zwei Sekunden«, rufe ich und rase hoch in unsere Wohnung.
Cem liegt noch im Bett. Er grummelt, brummt und meckert, als ich ihn wecke.
»Musst du nicht auf eine Hochzeit?«, fragt er mich schlaftrunken.
»Kann ich bitte dein Auto haben?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Weil ich es brauche.«
»Wofür?«
»Bin verabredet. Heute Mittag.«
»Kannst du nicht mit dem Bus fahren?«
»Nein.«
»Komm, Cem, bitte, mit einem Lupo kannst du sowieso niemanden beeindrucken.«
Er funkelt mich böse an. Nach ein paar Minuten Hin und Her, vielen Nein, Bitte und Du-bist-mir-was-schuldig, sagt Cem: » OKAAAYYY ! Aber du putzt einen Monat lang das Bad!«
Ich küsse ihn auf die Wange und rausche mit dem Autoschlüssel und einer Tasche mit Übernachtungsutensilien die Treppe runter. Janosch lehnt bereits gegen die Haustür und wartet auf mich.
Erst als wir im Wagen sitzen, fällt mir ein, dass ich ja auch ein Geschenk besorgt habe, also renne ich noch mal in unsere Wohnung, wo Cem mich über sein Müsli hinweg verwirrt anstarrt, als ich in mein Zimmer stürze und nach dem Geschenk suche. Es sind Karten für eine Aufführung der Dreigroschenoper. Pias Fast-Mann Markus ist Deutschlehrer, und Pia hat Germanistik studiert, also können sie mit Theater bestimmt etwas anfangen.
Janosch findet meine Kopflosigkeit furchtbar amüsant und kichert vor sich hin.
HOME SWEET HOME
Janosch fläzt sich auf dem Beifahrersitz und ist ganz entspannt. Er grinst die ganze Zeit und pfeift die Lieder im Radio mit. So kenne ich ihn gar nicht.
»So gut gelaunt?«
»Klar. Meine Schwester heiratet heute. Ich treffe nervende Tanten und nervtötende Cousinen, es wird ein super Tag werden. Du musst ihnen übrigens nichts schenken.«
»Gut, dass du mir das sagst, nachdem ich das Geschenk gekauft und es fast auch noch vergessen
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