Pinguine lieben nur einmal
Wasser fällst, bringt es dir einen Scheißdreck, dass du Fahrrad fahren kannst.«
Janosch muss laut lachen, nimmt mich fest in den Arm und sagt: »Den werde ich mir merken.« Nach ein paar Sekunden fügt er hinzu: »Hey, du solltest mich mal begleiten.«
Oh nein, nicht zum Schwimmen! Mit fällt eine Ausrede ein: »Simon hat zu mir gesagt, du willst niemanden dabeihaben, wenn du schwimmen bist.«
»Ja, wenn ich schwimmen bin. Vielleicht sollte ich besser sagen, dass wir mal zusammen planschen gehen sollten. Auf der Bahn wärst du mir natürlich hoffnungslos unterlegen.«
Über seine Sticheleien geraten wir in ein Gerangel aus Küssen, Umarmen und gespieltem Boxen, und das Thema ist vorerst vom Tisch.
Dann führt Janosch mich um die Ecke in einen Teil des Flurs, in dem Kinderzeichnungen die Wände zieren. Wenn ich eines noch mehr liebe als Familien, die Fotos aufhängen, dann Familien, die Kinderzeichnungen jahrzehntelang aufbewahren. Oben auf den Bildern stehen Datum und Name des Zeichners, die frühen in der Schrift eines Erwachsenen, die etwas jüngeren in Krakelkinderschrift. Ich entdecke Bilder, die Pia gemalt hat, einige von ihrem Sohn und sogar welche, auf denen in der Erwachsenenschrift Janosch steht.
»Ich war ein begnadeter Maler.« Er presst die Lippen aufeinander, weil er lachen muss. »Soweit ich weiß, sollen das hier«, er tastet an der Wand entlang und zählt die Rahmen ab, »meine Mutter, Pia und ich sein. Erkennst du uns?«
Es sind deutlich drei Gestalten zu erkennen. Janosch hat auf jedem seiner Bilder nur eine einzige Farbe benutzt, die Stifte zu wechseln muss ihm zwecklos vorgekommen sein. Auf dem Gemälde, das er mir zeigt, sind drei orangefarbene Gebilde zu sehen.
»Pias Kopf sieht aus wie ein Kürbis«, sage ich und tue ernst.
Janosch zwickt mich und zieht mich weiter hinter sich her. In seinem alten Zimmer herrscht die sterile Ordnung, die ich aus seiner Wohnung kenne. Außerdem sind auch hier die Wände dunkelblau gestrichen.
»Was hat es eigentlich mit dem Dunkelblau auf sich?«, frage ich.
»Meine Mutter hat mein Zimmer schon immer blau gestrichen. Sie ist der festen Überzeugung, ich kann dann besser schlafen.«
»Ach ja?«
»Ja, sie ist speziell, und– am besten warne ich dich gleich vor– sie würde mich am liebsten in einen Glaskäfig stecken, wo sie mich vierundzwanzig Stunden täglich bemuttern und betüdeln kann.«
»Bist du ein Muttersöhnchen?«, frage ich und lache.
»Nein. Aber sie ist eine… Söhnchenmutter.«
HALLO ... FELI ... CITAS ... NEIN, NICHT AUF LEHRAMT ... ER WOHNT UNTER MIR
»Dürfen wir hier eigentlich so faul rumliegen, wenn gleich deine ganze Familie eintrudelt?«
»Ja, definitiv«, nuschelt Janosch. Ich kann ihn kaum hören, weil er in mein Haar hineinspricht und nach jeder Silbe meinen Hals küsst. »Die versammelte Mannschaft holt Pia und Markus vom Standesamt ab, dann fahren sie geschlossen hierher. Die kommen alle auf einmal. Also keinen Stress.« Janosch verschränkt die Arme hinter dem Kopf.
»Janosch?«
»Mhm?«
»Ich bin so aufgeregt, ich mach mir gleich in die Hose.«
Er streichelt meinen Kopf und sagt: »Dann stell dir nur mal vor, wie aufgeregt ich sein werde, wenn ich irgendwann vor deiner Mutter stehe und sagen muss: Hi, ich bin übrigens der blinde Freund Ihrer Tochter! «
Ha, er hat es gesagt! Er hat Freund gesagt!
Dann rumpelt es gewaltig. Viele Füße trappeln durch die Wohnung, Kinder kreischen, und Erwachsene schwatzen. Ich kann förmlich hören, wie mein Herz mit einem schmatzenden Plumps vor Nervosität aus meiner Brust heraushüpft und vom Bett kullert.
»Wir warten am besten noch ein paar Minuten, bis wir rausgehen.«
» NEIN !«, protestiere ich. »Wenn wir jetzt rausgehen, können wir vielleicht in der Menge untertauchen.«
Janosch lacht, als hätte ich etwas sehr Dummes gesagt. »Das wird dir neben mir mit Sicherheit niemals gelingen. Glaub mir, ich versuche das schon seit fünfundzwanzig Jahren.«
Dann nimmt er meine Hand, und wir gehen aus dem Zimmer, um nicht in der Menge unterzutauchen.
»Janooooooooooooosch!«
Paul entdeckt uns als Erster, und weil er brüllt, als hinge sein Leben davon ab, drehen sich gleich fünfundzwanzig Köpfe zu uns um und glotzen uns an. Das Glotzen löst sich aber schnell in allgemeine Freude und Hallo und Wie geht’s und Lange nicht gesehen auf. Ich werde erst mal so hingenommen, alle schauen mich an, aber niemand stellt Fragen. Ich vermute, dass die Hochzeitsgäste, was
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