Pinguine lieben nur einmal
hätte.«
»Was ist es?«
»Theaterkarten für die Dreigroschenoper.«
»Und der Haifisch, der hat Zähne, und die trägt er im Gesicht …« Janosch singt zwei ganze Strophen, während ich lache und versuche, mich auf die Straße zu konzentrieren. Ich bin nämlich nicht der allerselbstsicherste Autofahrer. Ich bin zwar nicht unbedingt ein schlechter Fahrer, aber meine Angst, andere Menschen durch meine Trotteligkeit in Gefahr oder eventuell sogar umzubringen, lässt mich jedes Mal so nervös werden, dass ich sämtliche erworbenen Fahrkünste vergesse.
»Oh, Brecht ist super.« Janosch trommelt auf seinen Schenkeln.
Er ist ein ganz anderer Janosch. Was mit ihm los ist, weiß ich nicht genau. Die Aussicht auf einen Tag mit nervenden Verwandten allein kann es nicht sein. Auch die Hochzeit seiner Schwester ist zwar ganz nett, aber ist sie wirklich so grandios, dass Janosch glatt vergisst, der alte, sarkastische Brummbär zu sein?
»Home sweet Home«, singsangt Janosch, als er die Tür aufschließt und seine Winterjacke routinemäßig auf einen Haken hängt. Es ist ein großes Haus mit riesigem Garten. Janosch erzählt mir, dass bis vor ein paar Jahren seine Großeltern mütterlicherseits im Erdgeschoss und er und seine Mutter in den oberen zwei Etagen gewohnt haben, während Pia mit Fast-Mann und Sohn woanders gelebt haben. Omi und Opi hausen jetzt allerdings seit ein paar Jahren in einer altengerechten Wohnanlage, und auch Janosch ist ausgezogen. Seitdem ist das Haus nach allen Regeln der Kunst umgekrempelt und renoviert worden, und nun bewohnt seine Mutter das untere und Pia mit Fast-Mann und Sohn die oberen beiden Stockwerke.
»Das ist ja eine Riesenhütte! Seid ihr irgendwie… reich?«
»Wow, Feli, du bist immer so diskret!«
Ja, damit hat er wohl recht. Diskretion ist eine meiner unangefochtenen Stärken. Direkt nach Ordnungssinn und Disziplin.
Janosch streckt die Hand aus und zieht mich hinter sich her. »Die Familie meiner Großeltern hatte ungefähr vier Generationen lang eine Fabrik für Maschinenbau. Die Details sind furchtbar langweilig. Auf jeden Fall wurde die Fabrik verkauft und, na ja, meine Mutter ist die Tochter mit dem behinderten Sohn, deswegen sind meine Großeltern sehr großzügig.«
»Du bist so doof«, raune ich und schlage ihm gegen die Schulter. Aber ich bin auch froh, dass der alte Janosch nicht ganz verschwunden ist; wenn er zu lange zu gut gelaunt ist, bekomme ich sofort den Eindruck, dass irgendetwas nicht stimmt und er es nur zu überspielen versucht. Da ist er nämlich gut drin. Man erinnere sich an seine überschäumenden Gefühle, als er sauer auf Simon war. Zum Glück bin ich jedoch ganz geschickt darin, ihn beim Schauspielern zu ertappen. Eine gute Menschenkenntnis hatte ich schon immer.
Heute allerdings bin ich mir sicher, dass mit Janosch alles okay ist. Er sprudelt vor ehrlicher Vorfreude.
Noch sind wir alleine. Janosch zeigt mir die Wohnung. Die enorme Küche im Landhausstil mit Mittelblock würde meiner Mutter vor Neid Tränen in die Augen treiben. Ebenso das weiß geflieste Bad mit der freistehenden Dreitausend-Quadratmeter-Badewanne, die aussieht, als habe sie lustige, versteckte Blubberfunktionen. Das große Wohnzimmer ist für die Feier vorbereitet. Mit Weihnachtssternen, passenden roten Läufern und silbernen Kerzenständern verzierte Tische sind in U-Form aufgestellt und bieten Platz für circa dreißig Leute.
Der bisher beste Teil der Wohnung ist komischerweise der Flur. Hier hängen gerahmte Fotos. Ich kann mir also im Schnelldurchlauf alle Etappen in Janoschs Leben ansehen. Baby mit Kuscheltier, in der Badewanne mit Pia, Kindergarten, Schwimmen mit Flügelchen, Schwimmen ohne Flügelchen, Einschulung, Pokal beim Schwimmturnier, erster Schultag im Gymnasium, Schwimmen, Schwimmen, Schwimmen, Verleihung des Abiturzeugnisses und noch einmal Schwimmen. Ich liebe Familien, die Fotos rahmen und aufhängen.
»Hast du in deinem Leben auch mal was anderes gemacht als Schwimmen?«
»Ich hab’s mal mit Fahrradfahren versucht, bin aber nicht weit gekommen.«
»Spinner«, brumme ich lächelnd. »Mein Bruder konnte Fahrrad fahren, da war er noch keine drei. Ich habe es erst mit sechs gelernt. Dafür konnte ich schon vor meinem vierten Geburtstag schwimmen und er erst mit sieben. Wir haben einen internen Wettbewerb, wer von uns beiden deshalb der größere Held oder vielmehr der größere Loser ist.«
»Und, wer hat gewonnen?«
»Na ja, ich sag immer: Wenn du ins
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