Pinguine lieben nur einmal
besonderer junger Mann. Läuft aber alles wie bei anderen jungen Männern auch, oder?« Sie zwinkert schaurig und eindeutig.
»Ähm…«, mache ich und plane nicht, sonst noch etwas dazu zu sagen. Will sie jetzt ein Sexgespräch mit mir führen? Soll ich ihr allen Ernstes erklären, dass die Sehkraft reichlich wenig mit sexuellen Fähigkeiten zu tun hat und ich deshalb denke, dass das mit Janosch schon so sein wird wie bei anderen, ich es aber noch nicht genau weiß, weil wir es noch nicht getan haben? Nein, dieses Gespräch möchte ich nicht führen. Aber sie erwartet sowieso keine Antwort, sie kichert bloß und drückt mir ihren Ellenbogen in die Seite.
»Jetzt, da er nicht mehr bei meiner Gluckenschwester wohnt«, mein überstrapaziertes Hirn braucht einige Sekunden, bis es checkt, dass damit Janoschs Mutter gemeint ist, »kann er seine Frauenbekanntschaften sicherlich besser ausleben. War bestimmt auch ein Grund, warum er von zu Hause weg wollte.« Sie zwinkert mir erneut verheißungsvoll zu.
Tante Barbara ist mir so peinlich, dass ich mir am liebsten die Ohren zuhalten möchte. Ich fühle die Hitze in meinen Wangen, werde sicherlich ein wenig rosa und nicke stumm, um nicht antworten zu müssen.
Ich rette mich zu Janosch, der klüger ist als ich und es sich mit umgänglicheren Verwandten auf dem Fußboden bequem gemacht hat. Neben Paul sitzen zwei achtjährige Zwillingsmädchen, die, so erfahre ich, von Tante Barbara und ihrem Mann abstammen, und die vierjährige Tochter von Janoschs Cousin auf dem Teppich und spielen Uno. Ich geselle mich dazu und wundere mich: Janosch spielt Uno ?
Paul erklärt: »Janosch und ich sind ein Team, und du kannst ein Team mit der Marie sein, weil die kann’s noch nicht so gut.« Die Vierjährige hält mir ihre Karten hin.
Wir spielen also gefühlte fünf Millionen Partien Uno. Paul flüstert Janosch immer die aktuellen Karten ins Ohr, während ich flüsternd mit meiner Partnerin Marie die Spielzüge beratschlage. Sie ist total begeistert von so viel Teamplay und erklärt mich zu ihrer neuen Freundin.
Dann gibt es Kaffee und Kuchen und weitere fünf Millionen Partien Uno, auf die ebenso viele Runden Mensch ärgere dich nicht folgen. Das Vergnügen endet damit, dass die Zwillingsmädchen versuchen, sich gegenseitig die Rüschenkrägen von den pinkfarbenen Kleidchen zu reißen, und dabei unzählige Spielfiguren und Karten auf dem Boden verteilen.
Gegen sieben tischt Janoschs Mama, nein, tischt LENE das Festtagsmenü auf. Sie richtet Dutzende Töpfe auf dem Buffettisch an.
Während des Essens erzähle ich noch ein paar Mal, dass ich nicht auf Lehramt studiere und es auch nicht vorhabe. Nach dem Essen wird getrunken, und nach dem Trinken wird weiter getrunken. Auf teuren Magenbitter folgt teurer Wein, auf teuren Wein folgt teurer Whiskey und darauf wieder teurer Wein und nicht ganz so teurer Sekt. Würde ich alles trinken, was man mir anbietet, würde ich mich zu Tode saufen. Allein die Menge an Wein, die Janoschs Mu…ich meine LENE … mir anbietet, würde ausreichen, um mir ein mehrwöchiges Koma mit anschließendem ausgiebigen Kuraufenthalt zur Wiederherstellung der grundlegendsten geistigen Fähigkeiten zu garantieren. Aber ich halte mich bedeckt, denn auch wenn es sich hier zweifelsfrei um kultiviertes Saufen handelt, sollte man es beim ersten Familienbesuch nicht übertreiben. Gegen halb zehn erzählt Janosch im Zuge des teuren Whiskeys die ausgiebige Variante von »Wir kennen uns, weil wir im selben Haus wohnen«. Also alles, vom An-der-Tür-Lauschen bis zu den kaputten Eiern et cetera pp. Tante Barbara und Opa Willi sind sich einig, dass das eine großartige Geschichte ist, und brüllen vor Lachen.
Ich bekomme erst mit, dass es noch mal an der Tür geläutet haben muss, als weitere zehn bis fünfzehn Menschen ins Wohnzimmer strömen. Die Freunde des Ehepaars sind eingetroffen.
»Wollen wir uns verziehen?«, fragt Janosch und unterbricht das lustige Gespräch, das ich mit seinem Großonkel Franz führe.
»Es ist doch erst zehn. Außerdem erzählt mir dein Onkel von den Siebziger Jahren. Wusstest du, dass er…«
»Ja, dass er auf Fehmarn beim letzten Konzert von Jimi Hendrix war. Das erzählt er jedes Mal.«
»Genau!«
Ich wende mich wieder Großonkel Franz zu, aber aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Janosch in einem Zug sein eigentlich noch reichlich gefülltes Weinglas austrinkt und sich ungeduldig die Haare rauft.
KARO SIEBEN und HERZDAME
»Hallo, Janosch«,
Weitere Kostenlose Bücher