Pinguine lieben nur einmal
auf der Welt. Genau aus dem Grund hatte ich langsam, aber sicher damit begonnen, mich als ultimative Besonderheit zu sehen: als jemand, den er braucht, um glücklich zu sein, dem er sich anvertraut, dessen Nähe er zulässt. Es tut mir weh, dass ihm eine andere Person so viel näher ist. So viel näher, dass sie Seiten an ihm kennt, die ich bisher nicht mal erahnt habe.
In den letzten zwei Stunden hat Janosch vier der Zigaretten angenommen, die Karo ihm angeboten hat. Janosch hat nie nach Rauch gerochen, wenn ich bei ihm war. Ich bin mir deshalb sicher, dass er eigentlich Nichtraucher ist. Ich weiß nicht, warum es mich erzürnt, dass er in ihrer Gegenwart raucht. Ich weiß nicht mal, ob es an Karos Gegenwart liegt oder schlicht an der Tatsache, dass wir in einem Club sind. Vielleicht ist Janosch ein Gelegenheitsraucher, und in den letzten Monaten gab es einfach nur keine passende Gelegenheit. Wahrscheinlich ist es auch hier nur die Gewohnheit der beiden, die mich stört. Es gleicht einer einstudierten Choreografie. Karo zündet eine Zigarette an, fragt Janosch, ob er sie rauchen möchte, gibt sie an ihn weiter und entzündet dann eine weitere für sich selbst. Das Ganze wirkt so intim. Ich fühle mich ausgeschlossen.
»Seit wann raucht Janosch?«, frage ich Simon.
»Willst du noch ein Bier?«, fragt er zurück, ohne auf mich einzugehen.
»Ja, bitte.«
Immer rein damit. Vielleicht kann ich mir derart die Sinne vernebeln, dass mir Karo egal wird. Sie fasst Janosch ständig an. Auch im Gesicht. Ich versuche mir klarzumachen, dass diese Geste von geringerer Bedeutung ist, als wenn ich einen anderen Mann im Gesicht anfassen würde. Ich rede mir ein, dass es zwischen Karo und Janosch kein derartiger Eingriff in die Intimsphäre ist.
Während Simon Bier holt, gehe ich rüber zu den beiden.
Sie reden lauter Weißt-du-noch-damals-Sachen. Ich hasse Weißt-du-noch-damals-Gespräche, die ein Damals behandeln, bei dem ich nicht anwesend war.
»Ic h wil l euc h wirklic h nich t unterbrechen«, doch, nicht s möcht e ic h lieber , »aber : Sei t wan n rauchstdu, Janosch?«
»Was?«, fragt er mich zischend.
Mir ist bewusst, dass er damit nur auf meinen eigenen schnippischen Tonfall reagiert, trotzdem fühle ich mich angegriffen.
»Sagst du nicht immer: Ich bin blind, aber nicht taub? Du hast mich schon verstanden.«
»Hey, Feli, komm. Entspann dich mal wieder.«
»Janosch raucht schon, seit er sechzehn ist«, mischt sich Karo Sieben ein.
Ich erkenne an ihrem Tonfall, dass sie meine Frage beantwortet hat, um die Situation und mich zu beruhigen.
»Aha«, brumme ich, ohne ihren diplomatischen Vorstoß zu würdigen. »Also in den letzten vier Monaten hat Janosch nicht eine einzige Zigarette geraucht«, zicke ich und stemme sogar die rechte Hand in die Hüfte.
»Na ja, in den letzten vier Monaten war bei Janosch so einiges anders, oder? Er hat auch seine besten Freunde schändlich vernachlässigt«, witzelt sie.
Ich erspare mir eine Reaktion darauf. Immerhin bin ich sehr talentiert darin, mich in Situationen zu manövrieren, in denen jeder Satz unweigerlich dazu führt, dass ich wie ein Vollidiot dastehe.
Also verlasse ich das Schachfeld. Bauer Feli wurde geschlagen.
SHOWDOWN oder: ICH KANN ES EBEN NICHT FÜR MICH BEHALTEN
Ich gucke in mein Weinglas.
Kaum war ich aus dem Club gestürmt, auf halber Strecke zur Bushaltestelle, hatte Simon zu mir aufgeschlossen und mich überredet, mit ihm, Janosch und Karo nach Hause zu fahren. Dort sitzen wir jetzt auf Janoschs Sofa, und ich frage mich, warum ich mich dazu habe hinreißen lassen. Allen Beteiligten ist meine Anwesenheit unangenehm, selbst mir, denn ich habe mich wirklich wie eine kindische Oberziege benommen. Wäre ich wenigstens in den verdammten Bus gestiegen, dann hätte ich vielleicht ein Bruchstück meines Gesichts gewahrt. Jetzt sitze ich hier, vollkommen gesichtslos, würdefrei und ausgeschlossen. Zu allem Unglück ist inzwischen nämlich auch Simon in die Weißt-du-noch-Gespräche eingestiegen. Was war das auch alles toll damals. Zu den Zeiten, als Janosch und Karo Abi gemacht haben. Als sie Simon kennengelernt haben. Als ich meine Kindheit damit verschwendet habe, nach Nemo zu suchen. Alle paar Sätze müssen sie betonen, dass ich mich nicht in ihre Zeit hineinversetzen könne, weil ich ja jünger sei. Karo fragt mich allen Ernstes, ob ich mich noch an die WM 2006 in Deutschland erinnern könne, und zwar so, als spreche sie von einem Ereignis, das vor meiner
Weitere Kostenlose Bücher