Pinguinwetter: Roman (German Edition)
geeigneten Apartments und Stellenangeboten. Außerdem quälte ich mich durch sämtliche Internet-Jobbörsen und fand sogar die eine oder andere miese Stelle.
Bei einem Anruf unterstützte Finn mich lautstark im Hintergrund mit einem affenartigen Gebrüll, denn seit Kurzem waren Tierimitationen der neueste Trend im Finn-Universum. Er machte es auch wirklich gut, täuschend echt, konnte man sagen.
Allerdings konnte ich mir diese Stelle dann auch direkt abschreiben; die Personalerin am Telefon wollte mir partout nicht glauben, dass ich mir privat keine exotischen Tiere halte, denn ein normales Kind sei zu derartiger Geräuschkulisse sicher nicht in der Lage.
Womit sie recht hatte: ein normales Kind sicherlich nicht.
Am Abend des zweiten Tages setzte ich mich zu Trine vor den Fernseher, um mir mit ihr die Pilcher-Verfilmung Wenn das Herz zerbricht anzusehen. Trine war der Überzeugung, es würde thematisch passen und wenigstens hoffnungsvoll enden. Doch noch bevor das erfolgreiche Fotomodell Jessica den lang ersehnten Heiratsantrag von ihrem Freund Oliver bekommen sollte, klingelte es an der Tür.
»Wer soll das denn jetzt noch sein? Um diese Zeit?« Trine wunderte sich und watschelte in Slow Motion zur Tür.
Es war Mona. Ich erkannte sie sofort an der Stimme.
»Charly? Kommst du mal bitte?«, rief sie mir aus dem Flur zu.
Da konnte man noch nicht mal in Ruhe eine schöne Schmonzette …
Ich rappelte mich auf, ging in den Flur, sah Mona – und Eric . Mein Blick blieb erstaunt an Eric hängen, dann wanderte er fragend zu Mona und anschließend hilfesuchend zu Trine, um schließlich schockiert an mir selbst hinunterzusehen. Ich trug natürlich die Babyelefantenhose und passende rosa Stoppersocken. Von meinem ausgeleierten Oberteil mal ganz abgesehen. Und die Frisur, die Frisur …
»Hey«, sagte er.
»Hey«, antwortete ich.
Wir lächelten uns an.
»Eric, was …?«
»Kommst du kurz …?«, fragte Eric zögernd und deutete mit dem Kopf Richtung Tür.
Ich nickte wortlos.
Mona und Trine schlichen sich zurück ins Wohnzimmer, und wir standen alleine im Flur.
»Hast du ’ne Minute?«, fragte er leicht nervös.
»Sicher. – Eric …«
Er sah mich erneut mit diesem erwartungsvollen Blick an. Und irgendwie war da auch wieder diese liebevolle Wärme zwischen uns, die ich von Anfang an gespürt hatte.
Einerseits wollte ich diesen Moment nicht zerstören, andererseits wollte ich ihm endlich die Wahrheit gestehen und wusste nicht, wo ich anfangen sollte.
»Also ich …«, begann Eric gleichzeitig mit mir.
»Ja, also ich …«
Wir lachten.
»Ich fange an«, sagte ich.
Ich wusste zwar nicht, wo; es war alles so viel, so wirr …
Also fing ich irgendwo an. Ich erzählte die ganze Geschichte – von der Kündigung, von Finn, der Verwechslung, von Marc und der Doppelnamen-Sauberfrau, von Mona, dem Streit, dem Schaffnerunglück, von Renate, von meinen Zweifeln und davon, dass ich geglaubt hatte, dass er mich nur als hippe Alleinerziehende gut fände, und von der Suche nach mir selbst.
»Ich war nicht nur zu dir nicht ehrlich«, schloss ich meine Ausführungen, »sondern vor allem nicht zu mir selbst.« Ich sah Eric zerknirscht an. »Das ist ein echt mieses Gefühl.«
Eric hatte die ganze Zeit aufmerksam zugehört und kein einziges Wort gesagt.
»Und«, fragte ich am Ende, »hasst du mich jetzt?«
»Wieso sollte ich dich hassen?«, fragte Eric ruhig.
»Weil ich dich angelogen habe, deswegen.«
»Ich hab dir auch nicht alles gesagt, Charlotte«, antwortete Eric und atmete tief durch. »Deswegen bin ich auch direkt mit dem nächsten Flieger zurückgekommen …«
Bitte sag mir nicht, dass du hierhergekommen bist und dir meinen Seelenstriptease angehört hast, um mir jetzt zu verklickern, dass du doch vergeben bist!
»… und habe Maya vorerst bei meiner Schwester gelassen.«
Ich hörte nur »Maya« und »Schwester«.
»Was?«
»Ja. Sie ist gar nicht meine Tochter. Sie ist meine Nichte. Meine Schwester ist alleinerziehend und, wie gesagt, ständig beruflich unterwegs. Im Moment hat sie das lange Projekt, und Maya war deswegen bei mir.«
»Verständlich, für einmal Manolo Blahnik hin und zurück hätte ich Maya auch abgegeben.«
»Bitte?« Eric sah mich irritiert an.
»Keine Sorge, war nur ’n Scherz!«
Eric fuhr – immer noch leicht irritiert – fort: »Maya sieht mich irgendwie als Vaterersatz und … na ja … ich dachte am Anfang, ich würde als alleinerziehender Vater mehr Eindruck bei dir
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