Pinguinwetter: Roman (German Edition)
stellte sich nun also die Frage, wo Eric umsteigen würde.
Ich rannte zum Infoschalter.
»Über Amsterdam und dann Atlanta nach Los Angeles«, beantwortete der graumelierte Herr mit Schnäuzer an der Infotheke meine zitternd gestellte Frage. »Es gibt auch welche, die nur über Amsterdam gehen. Welche Airline?«
Das wusste ich nun auch nicht.
»Der Flug müsste ungefähr jetzt gehen, da werden Sie doch sicher nicht so viele haben, die dann weiter nach Los Angeles gehen, oder?«
Der Infoangestellte tippte wild in seinem Computer herum.
Wieso dauert das denn so lange?
»Aha!« Stolz strahlte der Mann mich an. »Da haben wir’s! Ein Flug um Viertel nach neun nach Amsterdam, dann Viertel nach zehn Ankunft in Amsterdam, drei Stunden Aufenthalt und …«
»Welches Gate?«, unterbrach ich ihn ungeduldig.
»Also, ein bisschen Geduld …«
»Wo-ho?«, fragte ich noch mal.
»Terminal 2, D 27-28.«
»Danke!«
»Das Boarding hat soeben begonnen!«, rief mir der Mann noch hinterher, aber da hatte ich mich bereits in die Menschenmenge der Flughafenhalle gestürzt und konnte ihm nur noch kurz zuwinken, um ihm zu danken.
Jetzt hieß es rennen, und zwar, was das Zeug hielt, denn es war genau so, wie ich befürchtet hatte: Ich musste zum anderen Ende des Flughafens – und das in wenigen Minuten. Ich hatte doch sowieso schon viel zu viel Zeit verloren! Wie sollte ich das nur schaffen? Immer wieder kontrollierte ich während des Laufens, ob ich überhaupt auf dem richtigen Weg war. Meine Kurzsichtigkeit und die Brille im Koffer auf irgendeinem Gepäckwagen des Flughafens halfen mir dabei nicht gerade weiter.
Als ich endlich an Terminal 2 angekommen war, waren sicher schon acht Minuten vergangen. Eine gefühlte Ewigkeit.
Ich sah immer wieder die Bilder von Mona vor mir, wie sie mit erhobenem Zeigefinger vor mir stand und sagte: »Das habe ich dir doch gleich gesagt!« Und: »Das hättest du auch einfacher haben können!« Und Trine, die mich anfeuerte: »Wirf nicht die Pfeife ins Korn, es ist noch nicht zu spät!« Und wie ich Trine dann verbessern würde. Und Melitta, die mir ins Gewissen redete, auf meinen Bauch zu hören, der ja wohl groß genug sei, um sich durchsetzen zu können.
Terminal 2, B-C , stand da. Weit konnte es also nicht mehr sein! Mit einem letzten Sprint rannte ich keuchend weiter in die Richtung, in die Pfeil D zeigte.
Ich musste es einfach schaffen, auch wenn Eric dann trotzdem fliegen würde. Aber einmal musste ich ihm zumindest ins Gesicht sagen können, was ich für eine dumme Nuss gewesen war und wie sehr ich mein Verhalten bereute.
Selbst wenn ich die Zeit nicht zurückdrehen kann, jetzt ist Schadensbegrenzung angesagt. Vielleicht ist doch noch was zu retten. Eric hatte nicht explizit gesagt, dass er einen zweiten Versuch mit Mayas Mutter starten wolle. Er sagte, er bliebe »zur Eingewöhnung« und »vorerst«. Und richtig glücklich wirkte er heute Morgen auch nicht. Ich habe eine Chance, wenn auch nur eine mikroskopisch kleine, aber ich habe immerhin eine, und die gilt es zu nutzen!
Da war Terminal 2, D 27-28 – ich war angekommen! Hoffentlich waren Eric und Maya noch nicht durch die verdammte Sicherheitskontrolle …
Ich sah durch die großen Glasscheiben, die den Besucherbereich vom Sicherheitsbereich trennten. Vorn am Gate war weder eine Spur von Maya noch von Eric zu sehen.
Es ist zu spät, ich bin zu spät. Alles umsonst. Natürlich wird er schon im Sicherheitsbereich sein, was sollte er auch so kurz vorm Flug noch hier herumstehen! Das war auch eine echt verdammt späte Erkenntnis, schimpfte ich im Geiste mit mir selbst, verdammt noch mal, ich bin selber schuld! Das Licht hätte mir auch früher aufgehen können!
Tränen stiegen mir in die Augen.
»Scha-lotte.«
Etwas zupfte an meiner Jacke, und ich drehte mich unwillkürlich um.
»Maya!« Ich konnte es kaum fassen. »Du bist … ich meine … ihr … ihr seid noch da?« Schnell wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht.
Eric hob die Schultern. »Du kennst das doch. Maya wollte nicht aufwachen, dann musste sie mal, dann wollte sie was trinken … Wir sind jetzt wirklich verdammt spät dran. Aber was um Himmels willen machst du denn hier? Müsstest du nicht schon längst unterwegs sein?«
»Ja, aber …«
Eric sah mich erwartungsvoll an.
Ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte. Es war so viel zu sagen und doch auch nicht. Es tut mir so leid, wollte ich sagen, ich war bescheuert, schoss es mir durch den Kopf, ich mag
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