Pinien sind stumme Zeugen
anrufen müßte.
Sie wollten Molosso ein zerknülltes Tuch als Knebel in den Mund schieben; er biss wie wild um sich und erwischte dabei Plutos rechte Hand.
»Figlio di puttana!« fluchte der Schweinespediteur, schlug ihm mit der Linken ins Gesicht und traf das Nasenbein.
Zu zweit rissen sie dem Ungeschlachten die Kiefer auseinander und schoben ihm den Knebel hinter die Schneidezähne. Die Bulldogge atmete schwer durch die gebrochene Nase. Molosso wußte, daß es modernere Methoden gab, als die ›tortura siciliana‹; trotzdem fürchtete er die traditionelle Verstümmelung mehr als alle anderen sadistischen Gemeinheiten. Er hatte schon an mehreren Vernehmungen dieser Art teilgenommen und dabei nicht ein einziges Mal erlebt, daß ein Mann nicht gesprochen hätte, wenn er von dem Neapolitaner absah, der plötzlich einen tödlichen Herzinfarkt erlitten hatte, bevor man an ihm die ›lupara bianca‹ vollzogen hatte, die Hinrichtung mit der abgesägten Schrotflinte nebst anschließender Einbetonierung in einen Neubau. Es war Molosso klar, daß auch er sprechen müßte, wenn sie ihre Drohungen tatsächlich verwirklichen sollten; aber er glaubte es nicht. Er wußte aus eigener Erfahrung, daß die sizilianische Tour den Anwender genauso überfordern kann wie sein Opfer, er machte sich nicht klar, daß er bei dieser Hoffnung auf etwas setzte, was er selbst nie gewährt hatte: Pardon.
Wenn nunmehr Mauro mit dem gezückten Rasiermesser in der Hand neben ihm stand – Molosso sah, wie die helle Klinge leicht zitterte –, hielt er es noch immer für einen Theatereffekt, mit dem sie ihn hereinlegen wollten.
»Los«, sagte der US-Agent als Einleitung der infamen Prozedur zu Pluto und Manfredo. »Ihr beide haltet seinen Kopf fest, aber paßt auf, der Kerl ist kräftig.«
»Ancora un attimo«, erwiderte der Auto-Ausschlächter. »Er wird bluten wie ein Schwein. Ich möchte nicht, daß er mir die ganze Bude versaut.« Manfredo sah sich nach einer leeren Konservenbüchse um. »Halt sie ihm unters Ohr, Mauro, wenn du es ihm absäbelst.«
Es gelang Molosso, seinen wuchtigen Kopf aus ihren Händen zu reißen; sie griffen nach und hielten seinen Schädel fest wie im Schraubstock.
Mauro, unsicher, blaß, doch willfährig, sah den Amerikaner an und wartete auf sein Zeichen, um mit der Amputation zu beginnen.
In diesem Moment erfasste Molosso, daß sie nicht blufften, sondern tatsächlich die blutige Folter an ihm vornehmen würden, an Ohren, an Zehen, an Fingern und zuvor wahrscheinlich auch an seinem Geschlechtsteil. Das Entsetzen legte sich ihm wie eine Schlinge, die immer fester zugezogen wurde, um den Hals. Er konnte sich nicht rühren; der Knebel hinderte ihn am Sprechen.
Er versuchte mit den Augen Nachgiebigkeit zu signalisieren. »Momentino«, sagte der Mann, der fünfzehn füsilierte US-Landsleute rächen wollte, und zog der Bulldogge den Knebel aus dem Mund.
Einen Moment lang wurde der Hilflose von der plötzlichen Luftzufuhr überflutet wie ein Schiffswrack vom eindringenden Wasser. Er hatte begriffen, daß er so oder so erledigt war. Wenn er versuchte, standhaft zu bleiben, würden sie vor seiner Tötung aus ihm noch einen Krüppel machen.
Doch bevor er – wie die Mafiosi das nennen – zu einem ›uomo sensa ombra‹ (zu einem ›Menschen ohne Schatten‹) würde, einzementiert in eine Mauer, war er bereit, auszupacken, auch wenn er dadurch die ›Omerta‹, das Gesetz des Schweigens, brechen mußte. Darauf stand der Tod; er würde nur eine Hinrichtungsart durch die andere ersetzen. Die Lupini-Familie würde ihn fassen, sei es im Gefängnis, auf der Flucht oder untergetaucht an einem fremden Ort, aber gleich vielen Delinquenten war Molosso bereits erleichtert, wenn die Exekution auch nur um einen Tag verschoben wurde.
»Du willst also aussagen?« fragte Panizza drohend.
»Ich will nicht«, erwiderte Molosso erschöpft. »Du zwingst mich dazu.«
»Sehr vernünftig, daß du das einsiehst«, entgegnete der Mann im Untergrund gefühllos. »Aber ich warne dich: Die kleinste Lüge, und du bist dran. Dann halten wir uns mit deinen Ohren nicht lange auf, wir schneiden dir gleich den Pimmel ab. Nicht wahr, Mauro?« wandte er sich an den Jungen aus Sizilien. »Das hast du doch schon getan?«
Er nickte. »Wenn ihr ihn festhaltet, dauert es nur zwei, drei Sekunden«, erklärte Mauro, der Coltellino.
Molosso konnte kaum sprechen. Seine Zunge hing trocken wie ein Stück Leder im Mund. Seine Arm- und Beingelenke waren
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