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Pinien sind stumme Zeugen

Pinien sind stumme Zeugen

Titel: Pinien sind stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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ihr Gesicht, Licht und Schatten – sie ist ohnedies eine Frau mit Atmosphäre. Die Haare der schwarzen Madonna sind zerwühlt, ihr Gesicht wirkt glatt und sanft wie die Oberfläche eines Bergsees bei Windstille.
    Schon während des Flugs hatten die beiden einander eingeheizt und gespürt, daß einer zum Brandstifter des anderen werden könnte, und so war der Mittdreißiger auf einen nächtlichen Ausbruch der Sinnlichkeit gefaßt gewesen. Trotzdem wurde er dann doch von den Eruptionen eines Vulkans überrumpelt. Steel mochte Frauen; Frauen waren sein Fall, nicht selten auch sein Sündenfall. Er schätzte die Abwechslung, aber über der Nachfolgerin vergaß er selten die Vorgängerin. Jetzt, da er im Katalog seiner Vergangenheit blättert, tut er sich schwer damit, eine ebenbürtige Matratzen-Matadorin zu finden.
    Er lotet die Schlafende aus; sein Blick wird zum Nimmersatt. Ist er bereits verliebt? So genau kann er es nicht analysieren. Bislang ist er immer mit Bravour in Affären hineingestolpert, um sich schon bald mit Fraktur wieder herauszuwinden – ein Blessierter der Gewohnheit. Irgendwie spürt Steel, aufgewühlt wie beglückt, daß ihm diese Frau aus Philadelphia womöglich mehr bedeuten könnte als seine bisherigen Eintagsliebchen.
    »Schuft!« sagt sie. »Du vergleichst mich bereits mit anderen …«
    »Du bist doch unvergleichlich«, entgegnet er. »Seit wann unterschätzt du dich?«
    »Wir müssen verrückt sein«, plaudert Gipsy, noch etwas schlaftrunken. »Du genauso wie ich.«
    »Verrückt aufeinander, Mrs. Sandler.«
    »Nenn mich nicht Mrs. Sandler«, versetzt die schwarze Madonna und gähnt. »Nenn mich deine Partnerin, Gespielin, Geliebte oder ganz einfach deine Reisebekannte mit dem nervösen Unterleib …«
    »Am Morgen auch?« fragt Steel und zieht sie an sich.
    Gipsy macht sich steif. »Nein, nicht schon wieder«, wehrt sie ihn ab. »Kannst du nicht einmal ernsthaft sein? Außerdem mußt du doch nach Washington …«
    »Das Pentagon ist weit, doch du bist nah«, entgegnet er, bereits leicht außer Atem. »Und wenn wir nicht so lange herumreden, sondern zur Tat …«
    »Ich bin gegen Quickies«, versetzt sie. »Vor allem am Morgen – nein, überhaupt bin ich dagegen.«
    »Ich auch«, versichert Steel, »aber nicht wenn Not am Mann ist. Weißt du, daß sich Tiger alle zwölf Minuten miteinander paaren – drei Tage lang?«
    »Du Bestie!« entgegnet Gipsy. Sie gähnt demonstrativ. »Mußt du denn um diese Zeit schon so munter sein?«
    »Ich bin Frühaufsteher«, erklärt er.
    »Ich dachte, du seist ein Nachtmensch.«
    »Beides«, erwidert Steel. »Ich brauche nicht viel Schlaf, und der frühe Tagesbeginn ist eigentlich die einzig bewiesene Art, sein Leben wirklich zu verlängern.«
    »Eine gräßliche Philosophie, Bob«, entgegnet Gipsy.
    Sie schnellt hoch und stürzt sich auf ihn.
    Steel fängt sie auf.
    Der Funke springt sofort über, wird zum Lauffeuer auf der Haut. Ihre Körper foltern und mögen sich. Das Karussell dreht sich im wilden Morgentaumel, zwei, die sich ineinander verkrallt haben, wirbeln herum: Washington, der Flug, die Beförderung, der Kriegsminister – nichts kann das Karussell anhalten. Und Colonel Wringler, der uniformierte Frühstücksdirektor, der ihn vom ›Plaza‹ abholen wird, soll warten.
    Sie liegen erschöpft in den Kissen.
    Bob Steel sieht wieder auf die Uhr. Inzwischen ist es wirklich Zeit, aber er verlängert noch einmal um ein paar Minuten, nicht nur weil er eine Schnaufpause nötig hat.
    Sie liegen nebeneinander, ihre Herzen schlagen wieder ruhig, keiner sagt ein Wort.
    In Mrs. Sandlers Apartment klingelt das Telefon. Laut, aufdringlich.
    »Lass«, sagt Gipsy.
    Als Bob Anstalten macht, abzuheben, nimmt sie ihm den Hörer aus der Hand. »Nein, jetzt nicht«, wehrt die Werbedame einen Anrufer verärgert ab. »Auf keinen Fall. Ich verbitte mir künftig wirklich jede Störung um diese Zeit. Ich ruf später zurück – wenn ich ausgeschlafen habe.«
    Sie legt den Hörer auf, teils verlegen, teils wütend.
    »Schon wieder der Promotion-Direktor deiner Scheißfirma?« fragt der Liebhaber ironisch.
    »Wirklich ein aufdringlicher Mensch«, behauptet Gipsy, »wenn auch ein großzügiger.«
    »Trage ich vielleicht schon ein Geweih?«
    »In diesem Fall würde er es tragen«, entgegnet die dunkle Schönheit, nicht unlogisch.
    Sie lachen beide.
    Endgültig ist der Demobilisierte in Zeitnot. Er springt unter die Dusche, trocknet sich ab, schlüpft in den Anzug von

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