Pinien sind stumme Zeugen
›Cosa-Nostra‹-Familien New Yorks zur sizilianischen Mafia, von der sie abstammen. Er stellt zu seinem Entsetzen fest, daß fast alle Mafia-Häuptlinge, die Generalstaatsanwalt Dewey einst hinter Schloß und Riegel gebracht hatte, als Folge des Zweiten Weltkrieges wieder auf freiem Fuß sind.
Als ehemaligen OSS-Mitgliedern ist den beiden Experten bekannt, daß die US-Marine-Abwehr mit den Gangstern zusammengearbeitet hat. Nachdem Hitler den USA den Krieg erklärt hatte, waren in rascher Folge in amerikanischen Gewässern von deutschen U-Booten neunzig Schiffe versenkt worden. Damals kannte man die Reichweite der modernsten Unterwasserschiffe noch nicht, deshalb hatte die US-Marine in erster Panik angenommen, die Unterwasserschiffe würden von Saboteuren an entlegenen Küstenorten mit Brennstoff und Proviant versorgt.
Dieser Verdacht war unsinnig gewesen, Tatsache aber blieb, daß der New Yorker Hafen von Agenten und Spionen unterwandert und von der kriminellen Hafenarbeiter-Gewerkschaft beherrscht wurde. Beim III. Marine-Distrikt kamen schlau-bedenkenlose Abwehroffiziere auf den verzweifelten Gedanken, sich mit den Mafiosi zusammenzutun, um den Hafenbetrieb zu befrieden und das Auslaufen der Frachter künftig geheimzuhalten.
Der Boß der Bosse, Charles ›Lucky‹ Luciano saß seit neun Jahren im Gefängnis von Great Meadow wegen Zuhälterei eine Strafe von dreißig bis fünfzig Jahren ab. Auf einmal verwandelte sich seine Zelle in ein Boudoir patriotischem Gangster, deren jeder mindestens ein halbes Dutzend Morde auf dem Schuldkonto hatte: Horror-Gestalten aus einem Gruselfilm wie Frank Costello, ›Little Man‹ Meyer-Lansky, Josef ›Socks‹ Lanza, Mikey Lascari und Willi Moretti gingen ein und aus und besprachen, wie man der bedrohten Marine helfen und gleichzeitig die eigenen krummen Geschäfte fördern könnte.
Beides gelang; aber die große Stunde des Obergangsters kam, als sich Churchills Forderung durchsetzte, ›Schläge gegen den weichen Unterleib Europas‹ zu führen. Die Amerikaner waren wenig begeistert, einen Kriegsschauplatz nach Italien zu verlegen; sie wollten bei der Invasion in Frankreich gewissermaßen auf der Dirittissima nach Deutschland vorstoßen – doch so weit waren sie noch nicht. Sie ließen sich auf das Abenteuer am italienischen Stiefel ein, und das hieß: zunächst Landung in Sizilien, einer Insel, die seit Jahrhunderten von der Mafia beherrscht wurde.
Benito Mussolini gehörte zu den Todfeinden des Geheimbundes, den er mit original faschistischen Methoden bekämpfte, indem er wahllos Schuldige wie Unschuldige zusammenfangen, erschießen, foltern oder deportieren ließ.
Gestützt auf die guten Erfahrungen mit New York, fragten sich die blauen Abwehroffiziere, ob Luciano nicht auch bei der Invasion in Italien wertvolle Hilfsdienste leisten könnte. Bald zogen sich Fäden vom Staatsgefängnis Great Meadow bis nach Sizilien. Die Mafiosi, die dort überlebt hatten und im Untergrund auf ihre Chance warteten, waren auf Lucianos Fürsprache hin sofort bereit, den Anglo-Amerikanern zu helfen und dabei wiederum Geschäfte in die eigene Tasche zu machen.
Sie spionierten die Befestigungsanlagen und die Stärke der Abwehrkräfte aus. Besonders erfolgreich jedoch waren sie dabei, die Masse der ohnedies wenig kriegsbegeisterten italienischen Soldaten anzusprechen und zum Überlaufen oder Desertieren zu bewegen. Daß General George Patton bereits zehn Tage nach der Landung in Sizilien Palermo, die heimliche Mafia-Hauptstadt, erobert hatte, verdankte er nicht nur seiner aggressiven Tüchtigkeit, sondern auch Verbrechern, mit denen er sonst nichts zu tun haben wollte. Bei der nächsten Landung in Salerno leistete die Mafia wiederum blutsparende Dienste.
Luciano triumphierte, wenn auch – vorläufig noch – hinter Gittern.
Selbst hier blieb er noch die kriminelle Nummer Eins. Den Namen ›Lucky‹ (der Glückliche) führte er seit 1929, als er, mehr tot als lebendig, in einem Lagerhaus in Staten Island mit zahlreichen Stichwunden, zerschnittener Kehle, als blutiger Klumpen am Balken hing und kaum noch zappelte. Seine Folterer und Mörder – rivalisierende Gangster – hatten Luciano für tot gehalten und sich entfernt. Mit unglaublicher Energie war es dem Malträtierten dann gelungen, seine Finger aus den Fesseln zu ziehen, vom Balken zu Boden zu plumpsen und sich den durchgebluteten Leukoplastknebel vom Mund zu reißen.
Seine Wunden verheilten, und sein Aufstieg bei der Cosa
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