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Pinien sind stumme Zeugen

Pinien sind stumme Zeugen

Titel: Pinien sind stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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CIA-Macher.
    »Verständigen Sie bitte den Gefängnisdirektor persönlich davon, daß CIC-Captain Gambler – es handelt sich dabei um meinen früheren Leutnant – unverzüglich eine Neuauflage der ›Operation Tombspy‹ starten wird.«
    »Tombspy?« fragt Partaker. »Gruftspion? Was ist das?«
    »Eine meiner Erfindungen«, erwidert Steel. »Ich konnte sie nur nicht mehr nutzen.«
    »Übrigens«, sagt gegen Ende der ersten Besprechung Craig Ginty wie beiläufig, »die US-Notenbank hat eine Belohnung von einer Million Dollar für die Zerschlagung der Fälscherbande ausgesetzt. Du arbeitest also nicht um Gotteslohn«, konstatiert er. Aber der Sonderbeauftragte mit den enormen Vollmachten bedeutet ihm durch eine unwirsche Handbewegung, daß ihn einstweilen nichts weniger interessiert als Geld.
    Landsberg am Lech, Kriegsverbrechergefängnis. Das Gerücht ist wieder einmal schneller als der Henker: Häftlinge beobachten bei Außenarbeiten, wie ein olivgrüner Buick mit einem weißen Stern in den Hof der früheren Festung fährt. Als sie den rotgesichtigen kleinen Mann im schäbigen Anzug, den kurzen Haaren und den stumpfen Augen sehen, der seinen Koffer aus dem Armee-Fahrzeug hievt, wissen sie, daß es wieder einmal soweit ist.
    Der Scharfrichter wird begleitet vom Fahrer, einem GI, und einem drahtigen, jungenhaft wirkenden Captain. Sonst reist der Henker mit der Bahn an und betritt, wenn es dunkelt, eher verstohlen das Gebäude von Schuld und Sühne; aber diesmal muß es so eilig sein, daß ihn ein Offizier der US-Army gleich in seinem Wagen mitgenommen hat.
    Begleitet von dem GI, nimmt der Scharfrichter am Katzentisch der Personalkantine Platz und wartet auf weitere Weisungen. Das hat er immer getan, damals, als er Todesurteile auf Befehl jener Leute vollstreckte, die er nunmehr aufhängt. Er macht sich keinerlei Gedanken darüber. Sein Gewissen ist die Geschwindigkeit, mit der er arbeitet. Gerade als ihn die Spruchkammer eines Interniertenlagers als Hauptschuldigen einstufen wollte (ihn, den Scharfrichter, und nicht die Sonderrichter, deren Urteile er vollstreckt hatte, und schon gar nicht die Rotroben vom Volksgerichtshof, von denen kein einziger strafrechtlich jemals belangt werden wird), hatten ihn die Amerikaner zum erstenmal nach Landsberg geholt: Er mußte da fortfahren, wo er beim Zusammenbruch aufgehört hatte, doch diesmal nicht mehr mit dem Fallbeil, sondern mit dem Strick.
    Der Henker ist in der gleichen Dienstkleidung, im dunklen Cut, angetreten wie während des Dritten Reiches, obwohl es die Besatzungsmacht gar nicht von ihm verlangt. Wie schon sein Onkel und sein Großvater hält er auf Etikette und auf Qualität. Ihm würden niemals schreckliche Pannen unterlaufen, wie dem Master-Sergeant Woods, der die Hauptkriegsverbrecher von Nürnberg in einer Turnhalle aufgehängt hat. Früher war der Scharfrichter ein häufiger Gast in Landsberg gewesen. In letzter Zeit kommt er nur noch in großen Abständen. Sein blutiges Gewerbe läuft inzwischen so schlecht, daß er eine Vertretung für Haarwasser und Heiligenbilder angenommen hat.
    Das Gerücht, der Hinrichtungsstopp sei aufgehoben, erreicht den Sicherheitstrakt. Der Häftlingskittel in der Blutfarbe bedeutet, daß ihre Träger von einem Militärgericht zum Tode verurteilt worden sind: KZ-Schinder, Mörder der Einsatzkommandos, Vivisektions-Arzte, verhetzte Zivilisten, die abgeschossene US-Piloten erschlagen oder erstochen haben.
    Früher waren in der damaligen Festung, in der Adolf Hitler nach seinem Putsch an der Feldherrnhalle 1923 neun Monate Gentleman-Haft verbüßt hatte, über dreihundert Rotjacken verwahrt gewesen. Inzwischen ist ihre Zahl durch Begnadigungen und durch Exekutionen auf die kleinere Hälfte gesunken. Während die Luftbrücke von Berlin Alliierte und Deutsche auf Schulterschluß bringt, ist es wie von selbst auch zu einer Währungsreform des Strafmaßes gekommen. Jedenfalls haben die amerikanischen Begnadigungskommissionen begonnen, mitunter beide Augen zu schließen, das Strafmaß zu drücken, die Normen zu senken.
    Todesurteile waren nach Kriegsende billiger gewesen, nicht nur deshalb, weil es mehr Schuldige gegeben hatte, sondern auch weil Justitia, Göttin der Gerechtigkeit, am liebsten Sieger als Freier nimmt.
    Inzwischen laufen die Urteile ein dutzendmal durch die Instanzen, bevor man sie endgültig aufhebt oder bestätigt.
    Es geht nicht mehr so sehr um die Bewältigung der Schuld, sagt sich Captain Gambler, als er über den

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