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Pinien sind stumme Zeugen

Pinien sind stumme Zeugen

Titel: Pinien sind stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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dir alles ersparen können«, erklärt der ehemalige Rapportführer von Mauthausen. »Du sitzt an der Quelle und läßt dich schnappen wie ein kleiner Eierdieb. Mensch. Ihr Kerle von VIb, ihr habt doch alles gehabt: Devisen, Ausweise, Pässe, gültig für alle Länder, Einreise-Visa, Beziehungen. Wer solche Möglichkeiten hat und sich schnappen läßt, ist selber schuld. Was meinste wohl, wo ich heute wäre an deiner Stelle?«
    »Du hast gut reden, Horst. Ich war ja schon untergetaucht, in Zivil als österreichischer Ingenieur mit hieb- und stichfesten Papieren. Da muß einer der Flüchtlinge in der Wiesenbach-Mühle im Aussiger Land mein Blutgruppenzeichen gesehen und mich verpfiffen haben.«
    »Volksgenossen gibt's, das ist wirklich zum Kotzen«, bestätigt Schibalsky.
    »Die Amis haben mich dann abgeholt«, berichtet Müller-Malbach. »Gleich vier Militärpolizisten. Im ersten Moment benahm sich ihr Captain so, daß ich Angst hatte, er würde mich gleich an die Wand stellen – wäre vielleicht besser gewesen, hätte mir viel erspart …«
    »Weiß Gott«, bestätigt der härteste Todeskandidat. »Und die anderen sitzen jetzt in der Sonne, sind steinreich und vögeln zentnerschwere Weiber.«
    »Nicht alle«, schränkt der Ex-Sturmbannführer ein, »aber dieser Bessermann zum Beispiel ist ihnen von der Schippe gesprungen, der ordentliche Bankmensch mit dem weißen Kragen. Der Schweinehund trat auf wie Schacht und klaute wie ein Rabe.«
    »Was kann er schon geklaut haben?«
    »Dollars natürlich«, erwidert Müller-Malbach. »Nagelneue Dollars. Er war zuständig für die Begutachtung. Er konnte sie einfach für Ausschuß erklären und in die eigene Tasche stecken.«
    »Da hättest du diesen – diesen …«
    »Bessermann.«
    »… doch melden müssen«, tadelt Schibalsky. »Da haben die doch keinen Spaß verstanden.«
    »Da hab' ich mich beherrscht«, erwidert der Ex-Sturmbannführer. »Dieser Bankmensch hatte doch 'ne Leiche im Keller mit Obergruppenführer Kaltenbrunner und anderen hohen Tieren.«
    »Kaltenbrunner«, wiederholt Schibalsky nachdenklich. »Der hat's schon lange überstanden. Und die anderen?«
    »Was weiß ich?« entgegnet Müller-Malbach unwirsch.
    »Und vor dem Militärgericht hast du auch dichtgehalten, Ernst?«
    »Das war doch klar. Ich bin doch keiner von diesen Lumpen, die ihre Sache verraten. Ich stand immer zur Bewegung. Und was die Amis schon wußten, konnte ich ihnen ja ruhig sagen. Außerdem war's für mich ein glatter Handel.«
    »Wieso?« fragt Schibalsky.
    »Na, dafür haben sie mich nicht an die Polacken ausgeliefert.«
    »Polacken oder Landsberg«, rutscht es dem Rohling wieder heraus, »gehängt ist gehängt.«
    »Halt's Maul!« fährt ihn Müller-Malbach an und greift mit der Hand in den Halsausschnitt, der ihm zu eng wird. Er spürt die Rotjacke wie Feuer auf der Haut. »Aufhören, aufhören!« brüllt er. Seine Stimme überschlägt sich, verendet in einem Hustenkrampf.
    Der Verstärker übersteuert das Gespräch. Im Lautsprecher, an den Captain Gambler ganz nahe herangetreten ist, hört es sich an, als würde der Mann schluchzen. Die Spule des Tonbands dreht sich eine Weile stumm weiter.
    Dieser Steel, überlegt der Captain voller Bewunderung, langt nach Jahren wieder in das Nähkästchen und hat sofort den richtigen Faden in der Hand. Alle hatten Bob für einen Zyniker gehalten, als er mit dem Vorschlag herausgekommen war, eine der Rotjacken als Gruftspion einzusetzen. »Und zwar den übelsten«, hatte der Chef der Sonderkommission seinerzeit gesagt, »denn der ist am unverdächtigsten.«
    Der Übelste war Horst Schibalsky. Zunächst wurde überprüft, ob er seine Verbrechen nicht auch an Alliierten verübt hatte. Fehlanzeige. Dann machte man dem Schinder von Mauthausen den Vorschlag, seine Todesstrafe – später – stillschweigend aufzuheben, falls er sich bewähre. Er ging darauf ein; er überbot sich selbst, und manches Geheimnis des Dritten Reiches ruht deshalb nicht in einem Reihengrab von Landsberg. Obwohl die Mitgefangenen gegen Schibalsky keinerlei Verdacht schöpften, unterband die Gefängnisleitung nach Auflösung der Sonderkommission die ›Operation Tombspy‹ trotz ihrer Erfolge.
    »Weißt du, in der ersten Zeit, da waren diese Scheiß-Amis überhaupt nicht ansprechbar.« Das Tonband dreht sich weiter. »Ich hätte ihnen wahrscheinlich ein Supergeschäft anbieten können, aber sie ließen einfach nicht mit sich reden – sie waren voller Haß und

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