Pink Christmas 2 (German Edition)

wäre Schnee von gestern.
    Mir war egal, was er dachte. Ich wollte mit ihm die Ringe tauschen. Ich drängte darauf.
    Dann klappte es.
    Seit meinem achtzehnten Lebensjahr gehören wir uns ganz.
    Daniel sprach immer wieder davon, dass man nach dem Abitur selbständig werden müsse. Erwachsenwerden tut man nicht Zuhause, meinte er, sondern in der Fremde. Freiheit sei etwas, was den Emanzi pationsprozess verstärke. Als ob er mich loswerden wollte, jedenfalls dachte ich das anfänglich.
    Ich war lange auf dem Ohr taub.
    Man muss ja nicht alles das tun, was der Partner will. Aber eines Tages fand ich heraus, dass es mir nur gut tun könnte, mein Leben bis zum Examen allein zu meistern. Abitur und Physikum hatte ich in Hamburg geschafft. Ich wollte mich nun selbst und uns beweisen, dass ich trotz der Loslösung voll zu meinem Freund hielt.
    Ich zog danach mit zweiundzwanzig nach Berlin.
    Das Medizinstudium wollte ich in der Weltstadt beenden. Die Charité lockte.

    Ich mag nicht hier auf dem ungemütlichen Bahnhof sein.
    Aber heute warte ich auf Daniel, der in wenigen Minuten aus Hamburg ankommen wird. Es sind ziemlich viele Leute um mich herum, der Zug endet hier. Ich hatte ihm zusammen mit der Fahrkarte den Wohnungsschlüssel für eine neue Wohnung zugesandt, die Adresse aufgegeben, falls wir uns verpassen sollten. Er wird staunen, wenn er sie das erste Mal betritt: Altbauwohnung, sechs Zimmer in einer Stadtvilla an der Havel.
    Mein Verstand sagte mir beim Briefschreiben, nicht allzu viel über mich preiszugeben. Er soll sein Urteil fällen, nachdem wir uns in den letzten Monaten überhaupt nicht und davor selten gesehen haben. Während meines Examens hatte ich keine Zeit, davor ging es ihm so, ein internationales Projekt für die Behörde musste vorangetrieben werden. Mehrere Male flog er nach Brüssel, Paris und London.
    Ob er die nächste Nacht noch abwarten kann?
    Ich werde ihm um den Hals fallen, mich an ihn schmiegen. Wir sind gleich groß.
    Ob mir mein Vorsatz treu bleibt, ihn hemmungslos zu küssen – trotz der Leute – dafür kann ich meine Hand nicht ins Feuer legen! Ich kenne die Schwäche, die immer wieder nach mir greift und mich zu Rückzügen gezwungen hat: Feigheit.
    Mir fehlte oft Courage.
    Ich teilte ihm nur mit, dass ich inzwischen in der Charité famuliere. Der letzte Satz lautete: Ich liebe dich.
    Was wirklich stimmt.
    Daniel fehlte mir täglich.
    Ich hatte ihn keinen Tag aus meinem Gedächtnis gestrichen, nur ab und zu verdrängt, wenn meine Hände zum Telefon griffen oder meine Finger zum Füllhalter. In diesem Augenblick hatte ich vergessen, dass meine Dissertation terminlich festgelegt war.
    Manchmal ging es mir besonders schlecht, wenn mich die Sehnsucht nach ihm gepackt hatte, obwohl ich wusste, dass die Zeit ohne ihn bald beendet sein würde. Ich habe nie herausgefunden, welche Auslöser es hierfür gab. Ich bekam Bauchgrimmen, Magenbrennen, und dann kotzte ich erbarmungslos. Ich lebte in einer WG. Meist war irgendjemand zugegen, der mir Mut zusprach. In der Regel Sophia oder Manuela. An anderen Tagen quälten mich Kopfschmerzen nie gekannten Ausmaßes. Ich dachte zuerst an einen Tumor. Aber das hat sich als Fatamorgana herausgestellt.
    Auf dem gegenüberliegenden Gleis wird die Verspätung eines ICE s von Rostock nach Leipzig angesagt. Weihnachten ist nicht Sache der Bundesbahn.
    Mir kommt Daniels Motorrad – eine BMW 500er Maschine - in den Sinn. Wir rasten mit ihr durch die Stadt, streichelten die Kai-Anlagen des Hafens, sogen im Stadtpark die Sonne ein, jagten in Schleswig-Holstein über Kopfsteinpflaster fast leerer Dörfer. Fest an seinen Rücken gepresst, wickelte ich meine Arme um seinen Körper.
    Er war ich, und ich war er.
    Manchmal musste ich um seine Gefühle kämpfen, meist, wenn ihn die Schule geschafft hat. Das war des Öfteren so! Sein Kollegium hatte mitbekommen, dass er mit einem Jungen zusammen lebt. Man möchte meinen, gebildete Leute seien darüber erhaben.
    Im Gegenteil.
    Es fiel über ihn her, meinte, dass das unmoralisch sei, widerlich, zum Himmel stinke. Einige beschimpften und nannten ihn einen Arschficker, einen Kindes-Verführer.
    Seine Niederlage schien vollkommen.
    Richtig war übrigens, dass ich ihn verführt habe.
    Heute bin ich noch sauer auf mich.
    Als Daniel über die Hasstiraden sprach, flippte ich aus.
    Ich entdeckte an mir den Charakterzug wieder, den ich von meiner Kindheit kannte. Er hatte sich bis zu diesem Tag zurückgezogen.
    Ich war ein