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Pink Hotel

Pink Hotel

Titel: Pink Hotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Stothard
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wer ich bin?«, fragte er.
    Ich trug Lilys Röhrenjeans, ihre grauen Ballerinas und ihr schwarzes
T-Shirt. Auf mein Basecap hatte ich verzichtet.
    »Du hast auf die Straße gekotzt«, sagte ich. »Natürlich erinner ich
mich. Hätte nicht gedacht, dass ich dich noch mal sehe.«
    »In letzter Zeit irgendwelche lukrativen Beerdigungen aufgetan?«,
fragte er.
    »Ich wollte die Klamotten am nächsten Tag zurückgeben, aber Lilys
Mann hatte so einen Kater, dass er mich nicht sehen wollte. Ich hatte ein
schlechtes Gewissen deswegen«, sagte ich. »Hast du Richard gekannt?«
    »Nein«, sagte er schulterzuckend. »Nicht richtig. Was hast du denn
mit den Klamotten gemacht, wenn du sie nicht zurückgegeben hast?«
    »Ein paar hab ich behalten, die meisten verkauft«, behauptete ich.
    »Also geht das Mittagessen auf dich«, sagte er grinsend. Ich schaute
hoch, und als ich nicht antwortete, fragte er: »Was führt dich eigentlich in
diese Gegend? Ich hab immer gedacht, in Los Angeles passiert nichts zufällig,
aber in letzter Zeit werde ich immer wieder eines Besseren belehrt.«
    »Ich häng bloß eine Zeitlang in L.A. rum«, sagte ich. »Und du?«
    [101]  »Ich arbeite. Musst du auch mal probieren – schlägt Grabraub um
Längen.«
    »Hör schon auf«, sagte ich. Schweigend beobachteten wir einander.
Vielleicht erinnerte er sich daran, wie erledigt er an jenem Morgen gewesen war
oder wie sich der Geschmack von Lilys Zigaretten mit der salzigen Morgenluft
vermischt hatte.
    »Du siehst anders aus«, wiederholte er. »Nicht mehr ganz so
verwildert.«
    »Du siehst noch schlechter aus, falls das überhaupt geht«, konterte
ich.
    »Danke«, erwiderte er sarkastisch. Es stimmte tatsächlich. Unter den
Augen hatte er Tränensäcke, und seine Haut war teigig, mit geplatzten Äderchen
auf den Wangen wie ein winziges Feuerwerk. Es sah aus, als hätte er in der
einen Woche seit Lilys Beerdigung ziemlich schnell ziemlich viel abgenommen.
    »Weißt du, ich hab mich irgendwie mies gefühlt, nachdem ich
abgehauen bin. So als hätt ich dich angemacht und belästigt und mich dann
plötzlich aus dem Staub gemacht. Ich war so was von breit, und ehrlich gesagt,
ich hatte gerade ein paar echt üble Wochen hinter mir.«
    »Du wolltest mich also rumkriegen?«, sagte ich.
    »Darauf brauchst du dir nichts einzubilden, bei Frauen hab ich einen
miserablen Geschmack.«
    »Und ein ganz schlechtes Gefühl für Timing«, ergänzte ich.
    »Sagt diejenige, die auf einer Beerdigung gestohlen hat«, schloss er
lächelnd. »Hast du schon was zu Mittag gegessen?«
    [102]  »Nein.«
    »Möchtest du?«
    »Nicht auf meine Kosten«, stellte ich klar.
    Das »Mittagessen« wurde eine Art Picknick in seinem SUV , der den typischen Ledergeruch eines Neuwagens
verströmte. Er stellte ihn auf dem heruntergekommenen Parkplatz eines Clubs ab,
der Platinum hieß und getönte Fensterscheiben und eine Metalltür mit einem
kleinen Gitter in Augenhöhe hatte. Entweder war es ein Striplokal oder ein
Spielcasino, aber weder Musik noch Geräusche drangen nach draußen. Ein oder
zwei Autos parkten vor dem flachen Gebäude, dessen Wände voller Graffiti waren.
David und ich hörten uns einen Hip-Hop-Remix auf seinem iPod an und teilten uns
seine selbstgemachten Sandwiches – alle mit abgeschnittener Kruste und in
Alufolie gewickelt. David umgab von Anfang an etwas Paradoxes. Er war
spöttisch, aber angespannt. Für Hip-Hop-Remixes war er zu alt. Er hatte einen
nagelneuen SUV mit Navi und DVD -Playern, die in die wuchtigen Ledersitze eingebaut
waren, aber auf dem Rücksitz stapelten sich Mädchenzeitschriften. Er lungerte
auf den Parkplätzen schmuddeliger Stripclubs herum, um Stars oder Politiker in
kompromittierenden Momenten zu erwischen, schnitt aber die Krusten seiner
Sandwiches ab und hatte im Handschuhfach eine Notfallpackung Oreo-Kekse.
    »Ich halte nichts von Blitzlichtgewittern«, sagte er, als ich mir
eine der Klatschzeitschriften nahm, für die er arbeitete, und ihn fragte, wie
er unter die Paparazzi geraten war. »Wenn dreißig Kameras vor dem Roosevelt [103]  auf
Britney warten, bin ich nicht dabei«, beteuerte er. Dabei lächelte er sein
spöttisches Lächeln, und seine Augen blitzten verschmitzt. Mir drängte sich die
Frage auf, wo er denn war – auf einem Baum im Garten hinter ihrem Haus? Lauerte
er ihr an der Tankstelle auf, wo sie ihre Zigaretten kaufte? Oder wartete er am
helllichten Tag auf dem Parkplatz einer Bar mit verdunkelten Fenstern? Wo? Aber
ich

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