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Pink Hotel

Pink Hotel

Titel: Pink Hotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Stothard
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gelandet, die in
der Unterwassergrotte die Kleine Meerjungfrau gespielt hat. Den Namen hab ich
vergessen.«
    »Arielle«, sagte ich.
    »Lucy für ihre Freunde«, sagte er.
    Wir schwiegen.
    »Du hast lauter kleine Fältchen um die Augen«, sagte er dann zu mir.
    »Na, und du erst«, erwiderte ich, schloss kurz die Augen und
betastete die dünne Haut.
    »Ich bin ja auch alt, am Mittwoch werd ich zweiunddreißig«, sagte
er. Und nach einer kurzen Pause: »Du hast gesagt, du bist was, zweiundzwanzig?
Ich glaube, man hat dir entweder einmal zu oft das Herz gebrochen, oder niemand
hat dir je geraten, Feuchtigkeitscreme zu benutzen.«
    »Was für ’n komischer Spruch«, antwortete ich und wandte
stirnrunzelnd den Blick ab.
    »Nur eine Beobachtung.«
    »Meine Mum ist gestorben, als ich drei war«, sagte ich.
    »Echt? Das ist schlimm.«
    »Was man nicht kennt, das fehlt einem nicht«, sagte ich.
    »Blödsinn«, widersprach David.
»Natürlich tut es das.«
    Ich zuckte die Achseln.
    [107]  »Hast du Lust, nächsten Dienstag mit mir auf meinen Geburtstag
anzustoßen?«, fragte er.
    »Weiß nicht«, sagte ich und kämpfte gegen ein Lächeln an.
»Vielleicht.«
    »Dann hol ich dich von deinem Hostel ab, wenn du mir die Adresse
gibst. Sagen wir um sechs?«, schlug er vor.

[108]  13
    Lily und Dad hatten ihr erstes Date im Aquarium des
Londoner Zoos, zwei Wochen nachdem sie sich bei einem Tischtennisturnier im
Stadtteilzentrum kennengelernt hatten. Opa gab Dad das Geld, um Lily
auszuführen, ohne auch nur zu ahnen, wie viel Ärger diese Beziehung bringen
würde. Einmal bekam ich mit, wie meine Großeltern sich genau darüber stritten,
was mich auf den Gedanken brachte, dass Lily vielleicht schon bei diesem ersten
Date schwanger wurde, womöglich sogar im Aquarium. Auf jeden Fall geschah es
irgendwann in den ersten Wochen ihrer Bekanntschaft mit Dad. Die Vorstellung,
dass es im Aquarium war, gefällt mir besser als die einer Abstellkammer im
Stadtteilzentrum oder eines Betts in der Sozialwohnung irgendeiner
Pflegefamilie, bei der Lily zu der Zeit untergekommen war.
    »Wie war eigentlich deine erste Verabredung mit Lily?«, fragte ich
Dad eines Morgens, als ich zehn oder elf war, und heftete mich auf dem Weg vom
Fernsehzimmer in die Küche an seine Fersen. »War es lustig?« Ich nannte sie
immer nur Lily, nie Mum. Eigentlich redete ich überhaupt fast nie über sie,
weil Dad das nicht mochte und diese Gespräche regelmäßig damit endeten, dass er
schlechte Laune bekam. An jenem Samstagmorgen stellte Dad [109]  den Wasserkocher
an, zog Pop-Tarts aus ihren silbrigen Hüllen und steckte sie in den Toaster.
Ich hatte noch meinen knallroten und mit Arsenal-Logos bedruckten Schlafanzug
an. Von der anderen Seite der Küchenanrichte schaute ich zu Dad hoch.
    »Wir haben uns wohl die Haie angesehen«, murmelte er. »War ganz in
Ordnung. Hat schon Spaß gemacht.« Er schob den Toasterhebel nach unten.
    »Warum habt ihr die Haie angeguckt?«, fragte ich.
    »Weil ich Haie mag.«
    »Mochte sie Haie?«, wollte ich wissen. Das war, bevor Dad und ich
die Wände der Wohnung mit jenen absonderlichen Farben gestrichen hatten; damals
war alles noch schmutzig weiß oder braun.
    »Kommst du nicht zu spät zur Schule oder
so?«
    »Heute ist Samstag«, erinnerte ich ihn. »Bei diesem Date, mit Lily,
habt ihr euch da auch die Quallen angeguckt?«
    In der Schule hatte ich gerade einen Dokumentarfilm von National Geographic über Quallen gesehen. Ihre glibberigen
Tentakel und pulsierenden Schirme hatten mich fasziniert. Die Namen mochte ich
auch: »Medusen«, »Ohrenquallen«, die in erstaunlich großen Schwärmen vorkamen,
»Wurzelmundquallen«, »Feuerquallen«. Im Englischunterricht hatte ich eine
Geschichte über sie geschrieben: Eine Qualle verliebte sich mitten im Meer in
eine Welle. Sie folgte ihr bis zu einem Strand, an dem die Welle in tausend
Stücke zersprang. Die liebeskranke Qualle war so unglücklich, dass auch sie auf
den Sand kroch, um dort zu sterben.
    [110]  »Ich erinnere mich nur an die Haie«, sagte Dad über das Date im
Aquarium, ohne den Blick von den Pop-Tarts im Toaster zu wenden.
    »Hast du gewusst, dass Walfische gar keine Fische sind? Sondern
Säugetiere, genau wie Delphine.«
    »Ach?«
    »Und Quallen bestehen zu neunzig Prozent aus Wasser.«
    »Hm.«
    »Quallen sehen doch irgendwie wie Außerirdische aus, oder?«
    »Ich weiß nicht, wie Außerirdische
aussehen.«
    »Stimmt auch wieder. Glaubst du, Lily haben die Quallen

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