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Pink Hotel

Pink Hotel

Titel: Pink Hotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Stothard
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Fußball. Ich will mich nicht beklagen, ich mag Fußbälle und trug
oft Fußballtrikots, aber das Portemonnaie war eine bemerkenswerte Abwechslung
gewesen. Eine Männerbrieftasche, aus echtem Leder mit grünem Seidenfutter. Grün
ist meine Lieblingsfarbe. Außerdem war das Foto aus dem Automaten drin, von
Lily, Dad und mir, auf dem Lily noch so jung war; das hatte natürlich ich
reingesteckt, nicht Dad.
    David legte seine Riesenpranken auf meine schmalen Schultern und
lächelte zu mir herab. Ich musste den Kopf in den Nacken legen, damit ich ihn
anschauen konnte.
    »Da war mein Portemonnaie drin«, sagte ich und nahm überdeutlich
seinen Geruch wahr und wie nah meine Lippen seinem Hals kamen. Ich zögerte kurz
und merkte, dass meine Hände zitterten. Als er mich losließ, war mir heiß, und
ich kam mir komisch und ungewohnt mädchenhaft vor. Es war mir peinlich. Er
schob seine Sonnenbrille hoch. Darunter sah er noch immer angeschlagen aus, die
Augen verquollen, aber er lächelte mir zu. Er trug ein schlichtes
Baumwollshirt, und noch nie wollte ich etwas so sehr berühren wie ihn in diesem
Moment.
    »Deine Hände zittern ja«, sagte er.
    »Das geht gleich wieder vorbei. Herzlichen Glückwunsch zum
Geburtstag«, sagte ich lächelnd.
    »Tut mir so leid, dass ich mich verspätet habe. Wäre ich pünktlich
gewesen, wär das nicht passiert.«
    »Mach dir keinen Kopf«, sagte ich verlegen.
    Früher war ich nie verlegen gewesen. Bevor ich nach L.A. kam, war Laurence nun mal der Einzige, mit dem [150]  ich
je geschlafen hatte; ich hatte aber außer ihm auch noch nie jemanden geküsst.
Küssen fand ich immer irgendwie abstoßend. Die Zunge eines anderen wollte ich
genauso wenig in mir haben wie jeden anderen Körperteil. Laurence war dünn und
groß, mit hellen Haaren und hellen Augen. Er kiffte, hatte einen Messiaskomplex
und sagte Plattheiten wie »Wer Feuer mit Feuer bekämpft, wird Verbrennungen davontragen«
oder »Die Liebe finden wir nicht, indem wir einen vollkommenen Menschen suchen,
sondern indem wir lernen, ihn wahrzunehmen«. Wir waren befreundet, seit wir
zehn waren und ich ihn dazu überredet hatte, von einer Mauer zu springen. Er
brach sich das Bein, und meine Strafe bestand darin, ihn zwei Wochen lang
täglich zu besuchen. Das zwischen ihm und mir hatte nie irgendwas mit Gefühlen
zu tun. Zu meiner Strafe gehörte damals auch, dass Laurence sich bei jedem
meiner erzwungenen Besuche meinen Schlüpfer oder meine Brustwarzen zeigen ließ,
damit er mir verzieh. Er fasste mich nie an, schaute nur. Damals war mir
vollkommen schleierhaft, warum er so häufig meine Unterwäsche sehen wollte.
Jahre später schliefen wir ein paarmal miteinander, wenn wir uns langweilten
oder high waren, aber das fand ich ungefähr so interessant, wie ihm mit zehn
Jahren meine Brustwarzen zu zeigen.
    Im Gegensatz zu der altklugen Überheblichkeit von Laurence schien
sich David die Hälfte der Zeit nicht wohl in seiner Haut zu fühlen. Er wurde
zweiunddreißig, kam mir aber in gewisser Weise jünger vor, als ich es war, als
wüsste er nicht recht, wie er sich verhalten [151]  sollte. Seinen Geburtstag
verbrachten wir in einem zu hell beleuchteten Thai-Restaurant in der Nähe seiner
Wohnung, wo wir uns ein Curry teilten. Thai-Pop flüsterte aus Fernsehern, die
in den Ecken des Lokals von der Decke hingen und auf deren Bildschirmen sich
todunglücklich aussehende thailändische Pin-up-Boys die T-Shirts vom Leib rissen
und von Liebe sangen.
    Nachdem ich meine aufgeschlagenen Knie in einer Toilettenkabine
gesäubert hatte, saßen David und ich an einem Fenstertisch und schauten durch
Bambusjalousien und ein schmutziges Fenster auf einen großen leeren Parkplatz
hinaus. Gelangweilte Parkwächter hockten in abgerissenen Klamotten auf dem
Bordstein und lasen Pornohefte. David und ich unterhielten uns darüber, wie er
auf Coney Island mit dem Fotografieren angefangen hatte und dann mit zwanzig
nach Los Angeles gezogen war.
    »Hast du Lily in New York kennengelernt?«, fragte ich.
    »Wen?«, fragte er zurück, ehe er begriff. »Nein, in Los Angeles«,
antwortete er und wirkte ein wenig beunruhigt und zerstreut, als ihr Name fiel.
»Ich bin nach Los Angeles gezogen und habe für Modezeitschriften gearbeitet,
eine Zeitlang auf großem Fuß gelebt, bevor ich unter die Paparazzi gegangen
bin. Ich hab auf Filmsets gearbeitet, auch in der Ausstattung, weil ich gern
Fotos hinter den Kulissen mache. Als Paparazzo fotografiert man auch auf eine
Art

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