PinkMuffin@BerryBlue. Betreff: FernWeh (German Edition)
Schuld und ich habe keinen Grund, so mit ihr zu reden, aber ich bin völlig mit den Nerven runter. Echt, MAX, und das bin ich immer noch!
Jedenfalls kümmere ich mich nicht weiter um Milfina und stürme, ohne anzuklopfen, in Kuhlhardts Büro.
Der sitzt doch tatsächlich an seinem Schreibtisch, hat wie immer seine Beine darauf abgelegt und sieht aus dem Fenster.
»Was haben Sie gemacht?«, brülle ich ihn an.
Ich habe Dir ja schon oft gesagt, wie Kuhlhardt gucken kann, aber gegen den Blick, den er mir zuwirft, waren alle bisherigen treue Hundeblicke.
»Was habe ich gemacht. Das ist nicht die Frage, Berry the Blue.«
»Und was ist die Frage?«
»Was ist die Frage. Was machst du hier?«
»Ich will wissen, warum Sie den Japanern die Creme nicht ins Hotel gebracht haben! MAX hat doch –«
»Deine kleine Freundin hat gute Arbeit geleistet, Berry the Blue. Sehr gute Arbeit!«
»Aber Sie nicht!«
»Woher willst du das wissen?«
»Weil einer von den Japanern im Café war! Er will mich mit nach Japan nehmen! Er hat meiner Mutter gesagt –«
In dem Augenblick kommt mir ein schrecklicher Gedanke: meine Eltern!
»Meine Eltern!«, schreie ich Kuhlhardt an. »Wenn sie mich nicht finden, werden sie vielleicht meine Eltern entführen!«
»Beruhige dich, Berry the Blue. Niemand wird entführt!«
»Woher wollen Sie das wissen? Ich will diesen Typen nicht mehr begegnen, verstehen Sie? Ich will, dass Sie –«
»Verstehe ich. Nur hast du dir, wie so oft, den falschen Ort und den falschen Zeitpunkt ausgesucht.«
»Und was ist der richtige Ort?«
Kuhlhardt zögert einen Augenblick. »Der richtige Ort. – Ich denke, das ist Lipinskis Büro. Wenn es brenzlig wird, kann er dich beschützen.«
»Lipinski? Aber der ist –«
»Mein Partner.«
»Dann gehe ich lieber wieder nach –«
»Du gehst nirgendwohin – außer in Lipinskis Büro. Und jetzt lass mich arbeiten.«
Ehrlich, MAX! Ich verstehe das alles nicht. Ich werde meine Angst einfach nicht los! Wie auch? Mein sogenannter »Beschützer« liegt vor dem Computer und studiert die Aktienkurse im Internet!
Hoffentlich geht alles gut! Kannst Du mich nicht irgendwie beruhigen?
Berry
Von: PinkMuffin
An: BerryBlue
Betreff: Panikattacken
Hi, Berry!
Wenn man übernervös ist, immer wieder tief durchatmen und ständig einen Kloß im Hals runterschlucken muss – ist das Angst?
Falls ja, hab ich das.
Ich hab merkwürdigerweise immer nur Angst, wenn ich mir Dinge vorstelle, also genau genommen weit weg von der Gefahr bin. Wenn ich der Gefahr gegenüberstehe, bin ich immer ganz cool und fühl nur so was wie Anspannung und Wut. Wut darüber, dass mich etwas oder jemand bedroht. Mein Fluchtinstinkt ist dann sehr mickrig. Dafür ist mein Angriffsinstinkt überproportional.
Aber jetzt hier zu Hause, weit weg von der Aktion, da krieg ich Panikattacken, wenn ich über alles nachdenke.
Wäre das vielleicht der Moment, wo wir mit einem Erwachsenen, der vernünftig ist (also nicht Kuhlhardt), der uns glaubt (also nicht Knauer) und nicht ausflippt (also nicht mein Vater) oder panikt (also nicht Dein Vater), mal reden sollten?
Wäre es nicht besser, unser Problem jemandem zu übergeben und danach ein fröhliches Teenagerleben zu leben?
Entscheide Du.
Gruß,
MAX (nervös, womöglich sogar verängstigt)
Von: BerryBlue
An: PinkMuffin
Betreff: Berry, die Pfirsichdose
MAX!
Wir sollen einen Erwachsenen einschalten? Lieber nicht, vor allem nicht nach dem, was passiert ist. Und das, was ich Dir jetzt schreibe, ist wirklich passiert! Ich habe nichts hinzugefügt oder weggelassen. Auch wenn es unglaublich ist: Es stimmt wirklich!
Gerade als ich die letzte Mail von Dir gelesen habe, öffnet sich Lipinskis Bürotür und Milfina steht breitbeinig im Türrahmen. Ihr Blick verheißt nichts Gutes.
»Ich bin ziemlich nervös«, sage ich, nur um etwas zu sagen.
Milfinas Blick wird strenger. »Das ist keine Entschuldigung.«
»Wofür?«
»Das weißt du genau. Für dein Benehmen vorhin.«
»Ja. Stimmt. Entschuldigen Sie bitte. Es kommt nicht wieder vor.«
Milfinas Gesicht entspannt sich etwas. »Das war der erste und richtige Schritt, Berry.«
»Und der zweite?«, frage ich vorsichtig.
Sie zeigt hinter sich. »In meinen Vorräten müsste mal wieder Ordnung geschaffen werden. Du darfst mir helfen.«
»Aber ich bin in Gefahr! Wenn die Japaner –«
»Solange du hier bist und Kuhlhardt in der Nähe ist, bist du nicht in Gefahr.«
»Sind Sie
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