Pippi Langstrumpf
Hause haben, in die zweite Reihe die Kinder, die ein oder zwei Geschwister haben, in die dritte die Kinder, die mehr als zwei Geschwister haben.“
Denn bei Fräulein Rosenblom sollte alles seine Ordnung haben, und es war ja auch gerecht, daß solche Kinder, die viele Geschwister zu Hause hatten, größere Zuckertüten bekamen als die, die keine hatten.
Und dann begann das Verhör. Ach, ach, wie die Kinder zitterten! Die, die nicht antworten konnten, mußten sich erst in die Ecke stellen und sich schämen, und dann mußten sie nach Hause gehen, ohne auch nur einen einzigen Bonbon für ihre kleinen Geschwister bekommen zu haben.
Thomas und Annika waren ja sehr gute Schüler. Aber trotzdem zitterte Annikas Schleife vor Spannung, als sie neben Thomas in der Reihe stand, und Thomas wurde immer weißer im Gesicht, je mehr er in Fräulein Rosenbloms Nähe kam.
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Gerade als er dran war zu antworten, entstand in der Reihe für Kinder ohne Geschwister eine plötzliche Unruhe. Jemand drängte sich zwischen allen Kindern durch. Und das war niemand anders als Pippi. Sie schob die Kinder beiseite und ging direkt zu Fräulein Rosenblom hin.
„Entschuldigen Sie, aber ich war noch nicht da, als es anfing.
In welcher Reihe soll man stehen, wenn man keine vierzehn Geschwister hat, von denen dreizehn kleine, unartige Jungen sind?“
Fräulein Rosenblom sah Pippi sehr mißbilligend an.
„Du kannst einstweilen da stehen bleiben, wo du bist“, sagte sie. „Aber ich glaube beinah, daß du sehr bald in die Reihe zu den Kindern kommst, die in der Ecke stehen und sich schämen.“
Die Schreibhilfen trugen Pippis Namen in die Liste ein, und sie wurde gewogen, damit man feststellen konnte, ob sie Suppe brauchte. Aber sie wog zwei Kilo zuviel.
„Suppe bekommst du nicht“, sagte Fräulein Rosenblom streng.
„Manchmal hat man Glück“, sagte Pippi. „Jetzt kommt es bloß darauf an, sich auch vor den Leibchen und Unterjacken zu drücken, dann kann man wieder aufatmen.“
Fräulein Rosenblom hörte nicht auf sie. Sie suchte im Rechtschreibebuch nach einem schweren Wort, das Pippi buchstabieren sollte.
„Nun, liebes Kind“, sagte sie schließlich, „kannst du mir sagen, wie man ,seekrank‘ schreibt?“
„Von Herzen gern“, sagte Pippi: „S-e-h-k-r-a-n-c-k.“
Fräulein Rosenblom lächelte ein süßsaures Lächeln.
„So, so“, sagte sie. „Im Rechtschreibebuch steht es ganz anders.“
„Da war es ja ein Glück, daß du wissen wolltest, wie gerade ich es schreibe“, sagte Pippi. „S-e-h-k-r-a-n-c-k, so habe ich es immer buchstabiert, und es ist mir immer gut bekommen.“
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„Schreiben Sie mir das ja auf“, sagte Fräulein Rosenblom zu der erstaunten Schreibhilfe und kniff böse ihren Mund zusammen.
„Ja, tu das“, sagte Pippi. „Schreib auf, wie man das buchstabiert, und sorge dafür, daß es im Rechtschreibebuch so bald wie möglich geändert wird.“
„Nun, mein Kind“, sagte Fräulein Rosenblom. „Antworte mir: Wann starb Karl XII.?“
„Ach, ist der auch tot!“ rief Pippi. „Es ist doch zu traurig, wie viele Leute jetzt draufgehen. Und ich glaube bestimmt, daß das niemals passiert wäre, wenn er immer trockene Füße gehabt hätte.“
„Notieren Sie das“, sagte Fräulein Rosenblom mit eisiger Stimme zu ihren Schreibhilfen.
„Ja, tut das nur“, sagte Pippi. „Und schreibt auch auf, daß es gut ist, Blutegel auf den Körper zu setzen. Und dann etwas warmes Petroleum vor dem Schlafengehen trinken! Das erfrischt!“
Fräulein Rosenblom schüttelte den Kopf.
„Warum hat das Pferd geriefte Backenzähne?“ fragte sie.
„Ja, bist du sicher, daß es die hat?“ fragte Pippi nachdenklich. „Du kannst es übrigens selbst fragen. Es steht da drüben“, fuhr sie fort und wies auf ihr Pferd, das sie an einen Baum gebunden hatte. Sie lachte vergnügt.
„Was für ein Glück, daß ich es mitgenommen habe“, sagte sie. „Sonst hättest du wahrhaftig niemals zu wissen bekommen, warum es geriefte Backenzähne hat. Denn, offen gesagt, ich habe keine Ahnung davon. Und ich frage auch nicht danach.“
Fräulein Rosenbloms Mund war jetzt nur noch ein kleiner dünner Strich.
„Das ist unerhört, ganz unerhört!“ murmelte sie.
„Ja, das finde ich auch“, sagte Pippi zufrieden. „Wenn ich weiter so tüchtig bin, dann werde ich wohl nicht davonkommen, ohne ein Paar rosafarbene wollene Hosen zu 223
kriegen.“
„Notieren Sie das“, sagte Fräulein Rosenblom zu den
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