Pirat des Herzens
angewurzelt stehen und drehte sich nach ihm um.
Sein Gesicht war wutverzerrt. »Ein kaltes, verräterisches Miststück.«
Ihre Augen wurden weit.
»Hawke kann dich haben.« Damit machte er kehrt und ging zur Tür.
»Geh!« kreischte Katherine. »Geh! Geh und komm nie wieder! Hoffentlich versinkst du mit deinem verfluchten Schiff auf dem Meeresgrund! Hast du verstanden, Liam O’Neill?«
Er antwortete nicht. Nur seine Schritte hallten im Korridor. Am nächsten Tag setzte die Sea Dagger Segel.
Und diesmal kam er nicht zurück.
III Der Tower
28
Januar 1572 - Richmond
Richmond war der wärmste von Elisabeths Palästen, deshalb verbrachte sie die Wintermonate gerne hier. Ein Feuer prasselte im Kamin ihres Privatgemaches. Durch die Fenster zum Garten sah Elisabeth, wie der Wind an den kahlen Ästen der Obstbäume zerrte. Der Himmel war grau verhangen, bald würde ein Schneesturm einsetzen. Aus der Ferne war das unheimliche Grollen eines schweren Wintergewitters zu hören.
Elisabeth hatte ihre Hofdamen entlassen und war allein. Ormond hatte um eine dringende Unterredung gebeten. Toms Hauptinteresse galt Irland, und sie machte sich auf das Schlimmste gefaßt.
Elisabeth wanderte ruhelos auf und ab, ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Gestern hatte sie Marias Balg James als König von Schottland anerkannt, obgleich sie sich geschworen hatte, diesen Schritt niemals zu tun. Doch die Umstände hatten sie schließlich dazu gezwungen. Die Intrigen und Anschläge wegen Englands Schottlandpolitik und Elisabeths Verhaltens Maria gegenüber wollten nicht aufhören, ebensowenig die Einmischung fremder Mächte. Elisabeth spürte die kalten Finger der Angst, die ihr die Kehle zuschnürten, sie zu ersticken drohten. Jedesmal, wenn ein Monarch irgendwo auf der Welt gestürzt wurde, sah sie sich in seiner Lage. Sie hatte nicht den Wunsch, ihren Thron - geschweige denn ihren Kopf - zu verlieren, schon gar nicht in jungen Jahren.
Ormond stürmte in das Gemach. »Er ist verrückt geworden!«
Elisabeth straffte die Schultern. »Von wem sprecht Ihr? Von FitzMaurice?« Perrot hatte FitzMaurice in den Westen Irlands verjagt, wo er sich versteckte. Ob der fanatische Papist je entmachtet werden würde? So wie dieser verfluchte Liam O’Neill ihn versorgte, würde er noch einen Winter durchhalten.
»Nein, nicht der Papist. Ich spreche von Eurem sauberen Piraten, diesem Liam O’Neill!«
»Was hat Liam getan?«
»Er hat wieder ein Schiff überfallen, diesmal eine spanische Galeone, die nach Holland unterwegs war, nicht nach Irland. Das zweite Schiff, das er in vierzehn Tagen kapert. Das andere war nach Edinburgh unterwegs. Er ist verrückt geworden wie eine tollwütige Bulldogge!«
Früher hatte Liam seine Schläge gezielt geführt. Nun schlug er wild um sich, kaperte jedes Schiff, das seinen Weg kreuzte. Wieso provozierte er die Spanier, die Nation, die ihn mit Goldbarren und Silbermünzen bezahlte, um FitzMaurice zu unterstützen? Sein Verhalten war unbegreiflich.
»Liam scheint den Verstand verloren zu haben«, stimmte Elisabeth ihrem Vertrauten zu. »Was haltet Ihr davon, Tom?«
Butler lächelte kalt. »Er ist ein ehrloser, raffgieriger Schurke. Erhöht den Preis auf seinen Kopf - und wir können nur beten, daß Hawke ihn endlich unschädlich macht.«
»Können wir nicht Karten spielen?« fragte Guy.
Katherine blickte aus dem schmalen Fenster der Halle auf das Schneetreiben, das seit Tagen auf der Insel wütete. Sie zog den Umhang enger um die Schultern, hörte die Worte des Jungen kaum, der ihr sein blasses, ängstliches Gesicht entgegenhob.
Irgendwo da draußen segelte der verfluchte Verräter durch die stürmische Nordsee. Angst krallte sich um ihr Herz.
Sie begriff noch immer nicht, wie Liam es fertiggebracht hatte, sie zu umschmeicheln, sie leidenschaftlich zu lieben, während er heimlich mit FitzMaurice Geschäfte machte. Sie mußte ihm völlig gleichgültig gewesen sein.
Vor fast zwei Monaten hatte er die Insel verlassen. Seither hatte sie nichts von ihm gehört. Und es war ihr gleichgültig, ob ihn das Schicksal ereilt hatte, das sie ihm gewünscht hatte. Wenn er nur mit seinem Schiff auf dem Meeresgrund lag und von den Fischen gefressen wurde.
Guy zupfte sie am Ärmel. »Wenn Ihr nicht mit mir Karten spielen wollt, lest Ihr mir dann etwas vor, Katherine?« Der Junge schaute traurig zu ihr auf.
Katherine strich ihm über den Kopf. »Ja, gleich.«
»Katherine wird dir später etwas vorlesen,
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