Pirat des Herzens
bemerkte Liam ein Dutzend Musketenläufe auf seinen Kopf gerichtet.
»Laßt die Waffen fallen, Pirat«, befahl Hawke. »Ihr habt den Zweikampf gewonnen - ich aber habe Euch besiegt. Waffe weg! Auf der Stelle!«
Langsam zog Liam den Degen zurück und ließ die lange, glänzende Klinge in den Sand fallen.
Ohne auf das Blut zu achten, das aus der leichten Stichwunde quoll, bückte Hawke sich rasch, hob den Degen auf und reichte ihn einem Soldaten. Mit zwei Sätzen war er bei Liam und zog ihm den Dolch aus dem Gürtel. Liam stand wie aus Stein. Zwei Soldaten rissen ihm die Arme auf den Rücken, Eisenringe schnappten um seine Handgelenke.
»Im Namen Ihrer Hoheit Elisabeth, der Königin von England«, verkündete Hawke, »Ihr seid verhaftet.«
Wieder war eine Woche vergangen. Katherine zählte die Tage, sehnte den Frühling und die Geburt ihres Kindes herbei. Die Hebamme hatte ihre Schätzung bestätigt. Das Kind würde im Juli zur Welt kommen.
Katherine strich über ihren geschwollenen Leib. Ohne den schützenden Umhang war ihr Zustand für jedermann sichtbar. Katherine liebte ihr Kind, auch wenn sie den Vater haßte.
Sie mußte an die Zukunft denken. Ihre Liebe zu Liam war durch seinen Verrat gestorben, sie konnte nicht länger auf der Insel bleiben. Sie wollte aber auch nicht zu ihrem Vater zurückkehren, um mit ihm im Exil zu leben. Zu John Hawke konnte sie nicht, ebensowenig an den Hof nach London. Sie wußte nur eines: Irgendwie mußte sie weg von dieser Insel. Irgendwie mußte sie nach Irland zurück.
Der Gedanke an Irland war wie ein Leuchtfeuer für ein Schiff in sturmgepeitschter Nacht. Sie wollte zurück in die Heimat. Einer ihrer Onkel würde sie und ihr Kind bei sich aufnehmen.
Katherine wußte nicht, wie sie es schaffen sollte, die Insel zu verlassen. Macgregor bewachte sie mit Adleraugen. Der Schotte beschützte das, was er für Liams Besitz hielt. Doch Liam hatte keine Rechte an ihrem Kind. Das Kind gehörte ihr ganz allein. Er hatte seine Rechte verwirkt, als er ihre Liebe schamlos verriet und sich mit FitzMaurice verbündete.
Sie mußte fliehen, bevor das Kind zur Welt kam, bevor Liam zurückkehrte. Doch irgendwie fand sie nicht die Kraft, einen Fluchtplan auszuarbeiten.
Ein lautes Klopfen ließ sie hochfahren. Rasch ging sie zur Tür der kleinen Kammer, in die sie noch am gleichen Tag umgezogen war, an dem sie von Liams Verrat erfahren hatte.
Katherine öffnete. Macgregor stand erschreckend bleich im dunklen Flur. Es mußte etwas Furchtbares geschehen sein. »Was ist los?»
»Bereitet Euch auf das Schlimmste vor«, murmelte der Schotte, trat ein und ließ sich schwer auf den einzigen Stuhl in der Kammer fallen.
»Was ist geschehen?« schrie sie. »Ist Liam tot?»
Macgregor blickte sie unverwandt an. »Nein, noch nicht.« Nach einer Pause fuhr er fort. »Er wurde festgenommen, Katherine. Sir John Hawke nahm ihn und seine Männer letzte Woche südlich von Galway gefangen. Die Sea Dagger konnte entkommen. Liam nicht.«
Katherine hatte ein taubes Gefühl im Kopf. Der Boden schwankte unter ihren Füßen.
»Er ist der Gefangene der Königin«, fuhr Macgregor fort, und seine Stimme klang dumpf und von weit her, wie durch dichten Nebel. »Man bringt ihn in Ketten in den Tower. Er wird wegen Hochverrats angeklagt und verurteilt. Und dann kommt er an den Galgen.«
Katherine schrie. Noch während sie das Bewußtsein verlor, sah sie ihn mit gebrochenem Genick und fahlem Gesicht am Galgen hängen.
29
Richmond
Cecil überbrachte die Botschaft der Königin. »Sir John Hawke hat Liam O’Neill festgenommen, Eure Hoheit. Der Gefangene befindet sich auf dem Weg nach London.«
Elisabeth stockte der Atem. »Seid Ihr sicher, William?«
Cecil hielt eine schmale Pergamentrolle hoch. »Sir Johns Nachricht. Sobald er O’Neill im Tower abgeliefert hat, erstattet er Eurer Majestät persönlich Bericht. In seinem Schreiben nennt er keine Einzelheiten.«
Elisabeth hatte daran gezweifelt, ob einer ihrer Offiziere den irischen Schurken dingfest machen könnte. Doch nun war es geschehen. Er saß im Tower, wo alle Verräter hingehörten. Sie sollte begeistert sein. Doch es war ein anderes Gefühl, das ihren Herzschlag beschleunigte. »Ja, das sind wirklich gute Nachrichten«, sagte sie endlich gedehnt.
Cecil neigte den Kopf. »Es ist ratsam, unsere nächsten Schritte sorgsam zu überlegen«, meinte er leise.
Elisabeth war ihm für seine Worte dankbar. Die Vorstellung, O’Neill an den Galgen zu bringen, war
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