Pirat des Herzens
es lag nur zwanzig Meilen nördlich von Askeaton am Ufer des Shannon. »Mein Gott, ich muß nach Hause.«
Liams Blick glitt über sie. »Das sollte wohl Barry entscheiden, oder?«
Sie vermochte den Blick nicht von ihm zu wenden. Es erschien ihr plötzlich alles so unwirklich - der Weg nach Barrymore, das Wiedersehen mit Hugh. Sie schluckte. »Ja, da soll Hugh entscheiden.«
Es war nicht mehr weit bis Barrymore. Liams Hände zitterten vor Erregung. Er spielte nach wie vor mit dem Gedanken, Katherine zu entführen. Er konnte sie zwingen, mit ihm zur Sea Dagger zurückzureiten. An Bord seines Schiffes konnte ihm keiner etwas anhaben. Und auf Earic Island war sie seine Gefangene. Niemand würde es wagen, seine Inselfestung anzugreifen.
Aber eine zweite Entführung war der letzte Ausweg. Er mußte sich hüten, die Königin ein zweites Mal zu provozieren. Wenn er sein Spiel gewinnen wollte, mußte er dafür sorgen, daß ihm die Monarchin wohlgesonnen blieb. Ein Federstrich von ihr genügte, und er wäre zum Verräter gebrandmarkt, würde seine Privilegien verlieren; Kopfgeld wäre auf ihn ausgesetzt.
Er hatte ein politisch völlig unwichtiges französisches Handelsschiff geplündert. Darüber würden die Berater der Königin sich wundern, doch es würde keiner die wahren Zusammenhänge erraten. Noch nicht. Selbst wenn ihm einer auf die Schliche kam und einen Verdacht äußerte, gab es keinen Beweis - nur Spekulationen.
Liam mußte dennoch überaus vorsichtig, geduldig und wachsam sein. Er mußte noch geschickter vorgehen als bisher, um alle Spieler in dieser Partie zu überlisten. Wenn er sich entschloß, Katherine zur Frau zu nehmen - und das Angebot ihres Vaters sagte ihm immer mehr zu -, mußte er sich der Sache ihres Vaters annehmen. Damit geriet er geradewegs in die Mühlen der Verschwörung, die seinen Untergang bedeuten konnten.
Eine zweite Entführung war vermutlich unnötig. Liam bezweifelte, daß Barry ein verarmtes Mädchen heiraten würde.
Wissen konnte er es allerdings nicht. Katherine war eine ungewöhnliche Frau, und wenn Barry sie liebte, war ihm ihre augenblickliche Situation vielleicht unwichtig. Liam durfte es nicht zu einer Hochzeit zwischen den beiden kommen lassen. Kein anderer Mann durfte Katherine besitzen. Er hatte sich ihres Schicksals vor langer Zeit angenommen, als er sie zum ersten Mal sah.
Die Türme von Barrymore Castle ragten über die Baumwipfel der Hügelkuppe. Liam warf Katherine einen verstohlenen Blick zu. Ihre Wangen waren erwartungsvoll gerötet, ihre Augen funkelten. Liam kämpfte gegen seine Eifersucht an, ermahnte sich zu Ruhe und Gelassenheit.
Katherine unterbrach seine Gedankengänge. »Gottlob hat hier der Krieg nicht getobt«, murmelte sie.
Sie ritten durch das äußere Burgtor über die Zugbrücke. Die Eisengitter waren heruntergelassen. Kein Wächter empfing sie, um nach ihrem Begehr zu fragen. Liam entdeckte einen Klingelzug am Wachtturm.
Das Geräusch der Glocke zerriß die Stille. Tauben flogen aus dem Gebälk. Barrymore war im Mittelalter erbaut, der viereckige Turm aus Quadersteinen beherrschte die Festungsanlage. Im Lauf der Jahrhunderte war die Burg zwar um einige Anbauten erweitert worden, doch der Innenhof war nicht gepflastert, es gab keine Glasfenster, keine modernen Ziegelbauten. Man fühlte sich in frühere Zeiten zurückversetzt, in die Welt eisengepanzerter Ritter und Burgfrauen unter Spitzhauben. Die Festung wirkte gespensterhaft und wie ausgestorben.
Katherine warf Liam einen Blick von der Seite zu. »Merkwürdig. Ist denn niemand zu Hause?«
»Anscheinend.« Liam war erleichtert. »Wir fragen mal im Dorf nach.« Er begann sein großes Pferd zu wenden. Katherine und Macgregor folgten ihm. Aus der Ferne näherte sich ein Reitertrupp, der beim Anblick der drei Fremden vor dem Burgtor das Tempo beschleunigte. Liam packte Katherines Zügel und trieb ihr Pferd eilig über die Zugbrücke, zurück auf die Straße. Sollte es zum Kampf kommen, hatten beide Männer dort mehr Bewegungsfreiheit als auf der schmalen Brücke. Macgregor hatte die Hand am Pistolenknauf. Liam schlug seinen Umhang zurück, um rasch den Degen ziehen zu können.
»Wer ist das?« Katherines Stimme war schrill vor Angst. »Ihr wollt doch um Himmels willen nicht gegen ein Dutzend schwerbewaffneter Männer kämpfen.«
Liam blieb ihr die Antwort schuldig, beobachtete die Reiter scharf, die auf der Straße herangaloppierten. Er erkannte Iren in grauen Umhängen auf kleinen, kräftigen
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