Pirat des Herzens
gedauert, bis sie ihn angefleht hatte, von ihr zu lassen. Ihre Wangen glühten.
Katherine lag reglos mit offenen Augen, hörte, wie Helen sich in der Kammer zu schaffen machte. Liam war fort. Sie war eingeschlafen und hatte nicht bemerkt, daß er gegangen war. Sie fühlte sich unendlich einsam und verlassen. Wann würde sie ihn Wiedersehen?
Sie mußte verrückt sein. Wie konnte sie über sein Fortgehen traurig sein? Wie konnte sie sich dieser sündhaften Nacht so träumerisch und sehnsüchtig erinnern? Sie war verrückt. Sie war Aristokratin. Sie hatte kein Recht, diese unaussprechlichen Dinge zu tun.
Katherine lag wie gelähmt vor Entsetzen, schloß die Augen. Sie hatte genau das getan, was ihr Vater von ihr verlangt hatte. Tiefe Scham erfüllte sie. Sie wollte sich nicht auf Geralds Machenschaften einlassen. Und sie wollte nicht mit O’Neill verheiratet werden. Aber sie hatte die Rolle der Hure ausgezeichnet gespielt. Ihre wahre Natur war weitaus sündiger und gewöhnlicher, als sie je befürchtet hatte.
Vielleicht ahnten die Männer, die ihr lüsterne Blicke zuwarfen, ihr sinnliches Wesen. Vielleicht durchschauten alle ihre wahre Natur. War das der Grund, warum Hugh Barry und der Graf von Leicester sie zur Geliebten machen wollten, nicht aber zu ihrer Gemahlin? Ahnten Männer die verbotene Leidenschaft, die in ihr schlummerte?
Welche Ironie. Hugh Barry und der Graf von Leicester wollten sie zur Hure, Liam O’Neill aber wollte sie zur Gemahlin.
Katherine umschlang ihr Kissen. Vielleicht würde Gerald sie doch noch mit O’Neill verheiraten. Die Tatsache, daß sie den Verführungskünsten des Piraten erlegen war, rückte diese Möglichkeit bedrohlich näher.
Was aber war daran so fürchterlich?
Katherine erschrak über ihre eigenen Gedanken.
»Die Königin wünscht Euch zu sprechen, Mistreß.« Helens Stimme drang in ihre wirren Gedanken. »Ihr kommt heute gar nicht aus den Federn.«
Katherine richtete sich kerzengerade auf. Die Königin! »O Gott! Wie spät ist es? Warum hast du mich nicht früher geweckt!« Katherine sprang aus dem Bett, nackt wie Gott sie schuf.
»Kurz vor acht, und die Königin wünscht Euch noch vor der Morgenmesse zu sprechen. Ich konnte Euch nicht wach kriegen, so erschöpft wart Ihr von den Vergnügungen der vergangenen Nacht.«
Katherine blickte entsetzt in Helens große, blaue Augen, die sie unschuldig anlächelten. Nein, sie wußte nichts. Woher sollte sie auch? Helen meinte die Maskerade in der Großen Halle.
»Beeilt Euch, Mistreß, Ihr dürft die Königin nicht verärgern.«
Helen hielt ihr die Unterwäsche hin. Katherine hätte liebend gerne gebadet, doch dafür blieb keine Zeit. Hastig schlüpfte sie in die Batistwäsche. »Warum will die Königin mich sprechen?«
Helen zuckte die Achseln, half ihr, den Reifrock einzuhaken. »Ich weiß nicht, Mistreß. Lady Anne wollte Euch abholen. Ich sagte Ihr, daß Ihr die Königin umgehend aufsuchen werdet.«
Um viertel vor acht begann der Dienst der Hofdamen bei der Königin. Katherine schlüpfte hastig in ihr Kleid. Plötzlich entdeckte sie ein rotseidenes Päckchen mit einer roten Schleife auf der Truhe.
»Was ist das?« flüsterte sie.
Helen reichte ihr das Päckchen achselzuckend. »Ich weiß nicht. Es lag schon da, als ich kam, um Euch zu wecken.«
Es konnte nur von Liam sein. Hastig löste Katherine die Schleife. Ihre Augen weiteten sich. »O Gott, was ist das? Wie schön!«
Sie und Helen blickten bewundernd auf das weiße, durchsichtig gewobene, in zarten Mustern durchbrochene Stoffgespinst. »So etwas habe ich noch nie gesehen«, rief Katherine begeistert.
»Ich schon«, flüsterte Helen ehrfurchtsvoll. »Das ist spanische Spitze.«
Katherine ließ das zarte Gewirk durch ihre Hände gleiten. »Spanische Spitze.« Sie stellte sich das Wundergespinst als Verzierung an den Ärmeln und am Ausschnitt ihres Kleides vor. »Wie wunderschön.«
»Ja. Nicht einmal die Königin besitzt so feine Spitzen«, sagte Helen. »Der spanische Botschafter hat sie zum ersten Mal bei einem Empfang getragen. Jeder hat darüber getuschelt. Die Damen werden vor Neid erblassen, wenn sie wissen, daß Ihr welche besitzt.«
Katherine breitete die Spitze auf dem Bett aus. Ein versiegeltes Briefchen fiel heraus. Ihr Puls überschlug sich, als sie das Siegel brach. Auf dem Pergament waren nur drei Worte gekritzelt. Viel Spaß, Liam.
Katherine hielt das Papier an die Brust, dachte beklommen an die leidenschaftliche Nacht, an ihr sündiges
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