Piraten der Karibik - Exquemelin, A: Piraten der Karibik
gewohnt, daß es ihnen zu verwehren unmöglich ist, denn wenn man ihnen den einen Hafen verbietet, laufen sie in einen andern ein, weil nämlich diese Länder allenthalben voll schöner Häfen sind, in welchen sie Nahrung und allerhand Notdurft, die sie für ihre Schiffe brachen, im Überfluß bekommen können.
D AS NEUNTE K APITEL
Erzählung eines Schiffbruchs, erlitten von Monsieur Betrand d´Orgeron, Gouverneur der Insel Tortuga. Wie er samt seinem Volk in der Spanier Hände gefallen; durch welche List er sein Leben salviert. Er unternimmt einen Anschlag auf Puerto Rico, sein Volk zu erlösen, so ihm aber misslingt. Grausamkeiten der Spanier, an den französischen Gefangenen verübt
.
Im Jahre 1673 hatten die Einwohner der unter den König von Frankreich gehörigen Inseln eine ziemliche Macht zusammengebracht in der Absicht, die unter der Herrschaft der Herren Staaten von Holland stehenden Örter zu erobern und zu ruinieren. Der französische General gab im Namen seines Königs allen Schiffen, die sich zum Abbruch des Feindes wollten brauchen lassen, Kommission. Er hatte selbst eine Flotte formiert, sowohl von Kriegs- als von Kauffahrteischiffen, aus allen Plätzen entboten und zusammengebracht, die sollte die Insel Curacao einnehmen. Der Gouverneur von Tortuga war selbst an Bord eines Kriegsschiffs gegangen, das damals auf der Reede lag, samt vier- oder fünfhundert Buschläufern oder Bukanieren von der Insel Española, des Vorhabens, sich mit dem französischen General zu konjungieren und mit ihm gemeinsam wider Curacao zu gehen. Allein er wurde von seiner Absicht durch ein Unglück ferngehalten, so ihn an der Südseite der Insel San Juan de Puerto überkam, allwo er bei Nacht von einem schweren Sturm angefallen und sein Schiff auf die Klippen getrieben wurde, nicht weit von den Inseln Guadanillas, an der Südseite obgemeldeter Insel gelegen. Binnen kurzem war sein Schiff in Stücken, also daß Monsieur d´Ogeron gezwungen war, sich mit seinemVolk an Land zu salvieren.
Am folgenden Tag mit anbrechender Morgenröte meinten die Spanier, es wäre dieses Volk dahingekommen, um (wie sie von den Franzosen gewohnt waren), die Insel auszuplündern, sammelten also eine taugliche Macht und gingen auf die Franzosen los. Die aber waren in einem betrübten Stand, viel eher geneigt, um Pardon zu bitten als zu fechten; denn sie hatten nichts salviert als allein das Leben und das, was sie auf dem Leibe trugen, nämlich ein Hemd und eine Leinenhose. Nichtsdestoweniger zogen die Spanier auf sie los mit allem Volk, das sie hatten zusammenbringen können, unter welchem allerlei Schlag von Menschen war, sowohl Schwarze als Indianer und Halbblut, jedoch wenige Weiße. Die Räuber gingen ihnen entgegen, sie um Pardon zu ersuchen und sich zu entschuldigen, indem sie sagten, daß sie Europäer wären, die im Sinne gehabt, auf den französischen Inseln Handel zu treiben, durch das schlimme Wetter wäre aber ihr Schiff wider die Klippen geworfen worden und in Stücke gegangen. Nachdem sie also in Demütigkeit alle ihre Seufzer um Pardon ausgestoßen, antworteten die Spanier: „Ha, perros ladrones, no hay quartel para vosotros.“ Das heißt: „Ha, ihr räuberischen Hunde, für euch gibt’s keine Gnade.“ Und damit fielen sie über die Franzosen her und schlugen einen großen Teil von ihnen tot. Indes, da sie sahen, daß sie keinen Widerstand leisteten, auch kein Gewehr bei sich hatten, hielten sie endlich mit dem Morden ein, ungeachtet sie bei der Meinung verharrten, die Franzosen wären gekommen, ihr Eiland zu plündern. Nahmen daher die Übriggebliebenen, banden ihrer je zwei bis drei zusammen und brachten sie auf die Savanas, das ist ein flach Feld. Hierauf fragten die Spanier nach ihrem Oberhaupt, doch diese antworteten alle einhellig, daß er ertrunken wäre, wiewohl es nicht wahr war, vielmehr hatte Monsieur d´Ogeron, als die Spanier sich nahten, sie gebeten solches auszusagen. Die Spanier wollten sich das freilich nicht weismachen lassen, sondern brachten einige Franzosen auf die Folter, sie zu zwingen, ihr Oberhaupt anzuzeigen, von denen denn auch einige, die die Martern nicht aushalten konnten, starben. Ogeron aber stellte sich, als ob er einfältig wäre und nicht recht reden könne, deshalb ließen ihn die Spanier ledig umhergehen, ohne im ein Leid zu tun, ja er erwischte sogar zuweilen ein Stück Essen, da die andern Hunger leiden mußten: ihnen war zu wenig gegeben, um ohne Qual zu leben, und zu viel, um zu sterben.
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