Piraten der Karibik - Exquemelin, A: Piraten der Karibik
durch die allerfurchtbarste Quälerei und Marter ums Leben gebracht hatten, fanden sie schließlich doch noch zwei, die sie nach einer etwa zwölf Meilen von Puerto Cavallo gelegenen spanischen Stadt Namens San Pedro führen sollten. Lolonois machten sich in eigener Person bereit, mit dreihundert Mann dorthin zu ziehen, und ließ als Obersten seiner zurückbleibenden Leute den Moses van Wijn zurück. Er selbst machte sich mit den beiden Führern auf den Weg, doch kaum war er drei Meilen marschiert, da stieß er auf einen Hinterhalt etlicher Spanier, die ihm wacker Widerstand leisteten; trotzdem nahm er binnen kurzem die Stellung ein und trieb die Spanier in die Flucht. Die sämtlichen Verwundeten, die die Spanier zurückließen, frug er nach der Stärke der spanischen Macht aus; danach schlug er sie, auf daß sie ihn nicht verrieten, tot. Auch einige unverletzte Gefangene hatte er gemacht: diese frug er nach dem Wege und danach, ob noch andere Spanier in solchen gedeckten Stellungen lägen, was sie mit „Ja“ beantworteten. Er nahm dann von diesen jeden einzeln auf die Seite und frug sie, ob sich kein anderer Weg finden ließe, derlei Hinterhalte zu vermeiden. Als sie hierauf verneinende Antwort gaben, brachte er sie vor die sämtlichen anderen Gefangenen und frug sie nach dem Wege: jedoch sie antworteten, daß sie keinen anderen Weg wüßten. Lolonois ward derentwegen von teuflischer Bosheit ergriffen, öffnete einen von den Gefangenen bei lebendigem Leibe, schnitt ihm das Herz heraus, biß hinein und schmiß es einem der anderen ins Gesicht mit den Worten: „So ihr mir keinen anderen Weg weiset, werde ich Euch dasselbe tun.“ Diese armen Kerle in höchster Not versprachen, ihn einen anderen Weg zu führen – der wäre freilich schwer gangbar. Wie dem auch sein mochte: um ihm zu willfahren, brachten sie ihn auf einen anderen Weg; aber, da dieser sich als unbrauchbar erwies, sah er sich gezwungen, auf die große Straße zurückzugehen, wobei er voll Zorneswut sagte: “Mordieu les bougres d´Espagnols me le payeront.“ Am nächsten Tag kam er wiederum an einen Hinterhalt, den er mit solcher Wucht angriff, daß die Spanier keine Stunde lang standhielten. Er befahl seinen Leuten, keinen Pardon zu geben: je mehr sie am Wege totschlügen – sagte er –, desto geringeren Widerstand würden sie in der Stadt finden. Die Spanier aber gingen darauf aus, von diesen verdeckten Stellungen her den Räubern möglichst viel zu schaffen zu machen; deshalb retirierten sie von einer zur anderen.
Endlich kam Lolonois an die dritte solche Stellung und verschonte diese ebenso wenig wie die beiden anderen; sie war allerdings sehr viel stärker, aber durch den Wurf etlicher Handgranaten nötigte er die Spanier, die Flucht zu ergreifen und verfolgte sie dann so heftig, daß er die meisten tötete, bevor sie die Stadt erreichten. Dort war man des Kommens der Räuber gewärtig, und der Weg, darauf sie kommen mußten, war wohl versehen mit guten Barrikaden, auch war kein anderer zu finden, auf dem man etwa diesem ausweichen konnte: waren doch ringsum die ganze Stadt Bäume gepflanzt, die man „Raqueltes“ nennt; die sind dermaßen voll Dornen, daß es unmöglich ist, hindurch zu kommen. Solches ist viel ärger als die spanischen Reiter, die man in Europa einem anmarschierenden Heere in den Weg stellt.
Als die Spanier, die hinter den Barrikaden lagen, die Räuber zu Gesicht bekamen, begannen sie diese eifrig mit Kanonen zu beschießen. Aber die Piraten legten sich platt auf den Bauch nieder, und, nachdem einmal das grobe Geschütz abgefeuert war, machten sie einen Ansturm mit ihren Feuerrohren und Handgranaten, womit sie den Spaniern großen Schaden taten. Gleichwohl vermochten sie mit diesem Sturm noch nicht in die Stadt einzudringen, weshalb sie sich zum Rückzug genötigt sahen. Später rückten sie neuerdings heran, in geringer Zahl, und schossen nicht eher auf die Spanier, als sie sicher zu zielen imstande waren; so daß denn auf jeden Schuß ein Spanier getötet oder verwundet ward. Endlich gegen den Abend mußten die Spanier den Widerstand aufgeben. Sie ließen eine weiße Fahne wehen, zum Zeichen, daß sie parlamentieren wollten, und übergaben dann die Stadt, mit der Bitte um Pardon und zwei Stunden Zeit, um sich mit etlichen Habseligkeiten an einen anderen Ort begeben zu können, was ihnen von Lolonois auch zugestanden ward. Hierauf kamen die Piraten in die Stadt und verhielten sich, ihrem Versprechen getreu, zwei Stunden
Weitere Kostenlose Bücher