Piraten der Karibik - Exquemelin, A: Piraten der Karibik
lang ruhig; aber das konnte den Spaniern wenig fruchten, denn die Räuber waren ihnen dicht auf den Fersen und nahmen ihnen alle ihre mitgenommenen Habseligkeiten, und dazu wurden sie selbst auch noch gefangen genommen. Übrigens war das meiste von ihrem Hab und Gut vorher fortgeschafft worden, so daß man in der Stadt nichts weiter fand als etliche Ledersäcke voll Indigo. Nach einigen dort verbrachten Rasttagen, an denen sie ihre gewohnten Grausamkeiten verübten, verbrannten sie die Stadt und zogen mit der gemachten Beute ab. Als sie wieder an die Meeresküste zurückkamen, hatten indessen ihre bei den Schiffen zurückgebliebenen Gefährten der Küste entlang Streifereien unternommen und dort ein paar indianische Fischer eingefangen, die hatten ihnen gesagt, am Fluße Guatemala erwarte man ein Heckboot aus Spanien. Beschlossen also, sich nach den Inseln auf der anderen Seite des Golfes zu begeben, um dort ihre Schiffe herzurichten; zwei Kanoes aber ließen sie vor der Mündung des Guatemalastromes, dem aus Spanien erwarteten Schiff aufzupassen. Nach den Inseln gingen sie übrigens hauptsächlich der Verproviantierung wegen – denn dort gibt es eine Menge Schildkröten, so wohl zur Speise taugen.
An Ort und Stelle angelangt, zerstreuten sie sich, ein jeder Haufen hatte seinen gewohnten Ort zum Fischen. Da war nun jedermann geschäftig, Netze für den Schildkrötenfang zu knüpfen. Die Netze machen sie aus einem Bast von Bäumen, die sie „Makao“ nennen: hieraus machen sie auch allerhand Tauwerk für ihre Schiffe, so daß sie denn niemals verlegen sind – wissen sie sich doch immer auf die ein oder die andere Weise zu behelfen. Es gibt dort auch gewisse Inseln, wo sich eine Menge jenes Pechs findet, das zum Dichten der Schiffe geeignet ist; wenn sie also Teer brauchen, machen sie dieses Pech durch Haifischtran weich. Dieses Pech wird vom Meere angespült, bisweilen in so großen Mengen, daß es ganze Inselchen bildet; es ist nicht von der Art wie das hierzulande gebräuchliche Schiffspech, sondern es ist jener Meeresabschaum, den die Naturforscher „Bitumen“ nennen: meiner eigenen Ansicht nach kommt er von dem Wachs, das durch Stürme und Unwetter ins Meer geworfen und an jener Stelle an Land gespült wird. Es ist nämlich mit Sand vermischt und hat einen ähnlichen Geruch wie das aus dem Orient kommende dunkle Ambra. In diesen Landschaften gibt es ja auch viele Bienen, die an den Waldbäumen ihren Honig machen, und so passiert es denn nicht selten, daß durch heftige Stürme das Wachs zusamt dem an den Bäumen hängenden Honig dem Meere zugetrieben wird. Manche Naturforscher wollen wissen, daß durch die Wirkung des Salzwassers aus diesem Honig und Wachs eine Materie ausgeschieden wird, von der man sodann das dunkle Ambra gewinnt. Was recht wohl glaubhaft ist: denn dieses Ambra ist, wenn man es findet, noch weich und riecht wie Wachs.
Die Piraten setzten also ihre Schiffe instand, so rasch sie nur konnten, und hielten sich bereit für den Fall, daß ihnen Nachricht von der Ankunft des Schiffes zukäme. Einstweilen fuhren sie auf ihren Kanoes die Küste von Yucatan entlang, wo sich viele Indianer aufhielten, um auf das Ambre de gris zu passen, das an die längs der festländischen Küste gelegenen Inseln angetrieben wird. Da uns nun einmal die Räuber in diese Landschaften geführt haben, will ich einiges über diese Indianer aufzeichnen, da an ihrer Religion und ihrer Lebensweise so manches Anmerkenswerte ist. Diese Indianer stehen schon mehr als hundert Jahre unter spanischer Zwingherrschaft; so oft die Spanier sie brauchten, führten sie sie hinweg und traktierten sie sehr übel. Alljährlich pflegten sie einen Priester dorthin zu entsenden, der angeblich ein Werk der Bekehrung an jenen tun sollte. Aber dies gedieh mehr zu Gottlosigkeit als zu Gottes Ehr´ und Dienst; denn sie kommen zu keinem anderen Zweck hin, als um diese armen, einfältigen Leute all´ ihrer Habe zu berauben. Denn, sobald der Priester zu ihnen kommt, muß der Oberste der Eingeborenen, den sie den „Kaziken“ nennen, ihm seine Tochter oder eine andere nach seinem Sinn geben: die muß ihm dann zu willen sein, solange er da ist. Überdies müssen ihm die Indianer tagtäglich so viele Hühner, so viele Eier und so viel Baumwolle, kurz so viel von allem, was sie haben, geben, als der Priester ihnen anbefiehlt; und wenn man sie über ihrem eigenen Gottesdienst antrifft, so werden sie von dem Priester und dessen Gesellen gefangen
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