Piraten der Karibik - Exquemelin, A: Piraten der Karibik
sehen sollten, Lösegeld aufzutreiben, widrigenfalls sie sie nach Jamaika mitführen würden, auch sollten sie zusehen, eine Brandschatzung für die Stadt zusammenzubringen, sonst wollten sie diese vor ihrem Abzug noch in Asche legen. Mit dieser Botschaft sandten sie vier der gefangenen Spanier aus. Und damit ihnen Lösegeld und Brandschatzung desto eher gebracht werden möchten, taten sie den Spaniern noch mehr Tort an als gewöhnlich.
Die vier ausgesandten Spanier kamen wieder und ergingen sich in Wehklagen vor dem General der Räuber: sie hätten wohl ihr Bestes getan, um die Brandschatzung hereinzukommen, allein sie hätten die Leute gar nicht finden können; wollte aber der General noch vierzehn Tage sich gedulden, dann würden sie wohl das von ihm verlangte Geld zusammenbringen. Während sie nun solchermaßen mit Morgan wegen der Brandschatzung zu verhandeln im Zuge waren, kamen sieben oder acht Räuber, die außer der Stadt gewesen, um Rindvieh zu erjagen, zurück samt einem gefangenen Neger, der Briefe für einige der Gefangenen hatte – und, wie man die öffnete, befand sichs, daß sie vom Gouverneur von Santiago waren, der ihnen schrieb, er würde bald mit ausreichender Streitkraft heranrücken, sie sollten sich also nicht übermäßig beeilen, den Räubern Lösegeld oder Brandschatzung zu bezahlen, sondern diese mit der Hoffnung auf Entrichtung des Lösgeldes noch vierzehn Tage hinzuhalten trachten. Nun sah Morgan, daß die Spanier ihm mit ihrem Vorschlag einen üblen Streich zu spielen gesonnen waren, und ließ allsogleich die ganze Beute ans Meer bringen, wo seine Schiffe waren, indem er gleichzeitig den Spaniern sagen ließ, wenn sie nicht am nächsten Tage dies Brandschatzung bezahlten, würde er die Stadt in Brand stecken. Daß er den Brief in seine Hand bekommen, ließ er sich ihnen gegenüber aber nicht merken. Abermals gaben ihm die Spanier zur Antwort, es sei unmöglich, da die Leute weit und breit versprengt seien, und sich das in so kurzer Zeit nicht machen ließe. Endlich einigte sich Morgan, der all ihre Schliche wohl kannte, dahin, daß sie ihm fünfhundert Stück Rindvieh samt dem zum Einpökeln der Tiere nötigen Salz an die Seeküste liefern sollten. Obwohl sie ihm dies zugestanden, nahm er doch sechs der Vornehmsten als Geiseln mit, dazu die sämtlichen gefangenen Sklaven, und anmarschierte zur Küste. Tags darauf kamen die Spanier an den Ort, wo Morgan mit seiner Flotte vor Anker lag, brachten das versprochene Vieh und forderten ihre Geiseln zurück. Allein Morgan, der ihnen nicht traute und keine Lust hatte, zu fechten, wo keine Beute zu holen war, weigerte sich, ihnen die Gefangenen auszuliefern, ehe nicht das ganze Fleisch auf den Schiffen wäre. Um ihre Mitbürger und Oberhäupter recht rasch frei zu bekommen, halfen nun die Spanier selbst den Piraten beim Schlachten der Tiere und beim Einpökeln. Die Räuber gestatteten ihnen solches gern, so daß sie weiter nichts zu tun hatten, als das Fleisch an Bord zu bringen. Unterdes waren Mißhelligkeiten zwischen Franzosen und Engländern ausgebrochen; sie wollten einander an den Leib rücken, weil ein Engländer einen Franzosen totgeschossen hatte – eines Markknochens halber. Welchermaßen die Bukaniere, sobald sie ein Stück Vieh geschlachtet haben, die Markknochen ausschlürfen, habe ich ja schon im ersten Teil erzählt: nun, diese Leute halten es ebenso. Der Franzose hatte einem Rind die Haut abgezogen. Kam der Engländer dazu und nahm die Markknochen heraus. Darob fingen sie Händel an und forderten einander zum Zweikampf mit ihren Feuerbüchsen. Als sie nun an eine einsame Stelle gekommen waren, fand sich der Engländer früher parat als der andere, so dass er jenen denn von rückwärts durch den Leib schoß. Darauf ergriffen die Franzosen ihre Büchsen und wollten die Engländer angreifen; aber Morgan trat dazwischen und versprach den Franzosen, daß er ihnen Recht schaffen wolle, und, sobald sie nach Jamaika kämen, den Engländern aufhängen lassen würde. Sein Leben wäre wohl verschont geblieben, wenn er den anderen nicht heimtückisch niedergeschossen hätte; denn es passiert bei ihnen tagtäglich, daß sei einander zum Duell herausfordern, allein es muß dabei ehrlich zugehen – wenn sie dann einander ohne Hinterhältigkeiten umbringen, so fragt man nicht weiter danach. Morgan ließ also den Missetäter sogleich an Händen und Füßen binden, um ihn so nach Jamaika mitzunehmen. Unterdes war alles Fleisch eingesalzen und
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