Piraten der Karibik - Exquemelin, A: Piraten der Karibik
Leuten in Kanoes und kleine Ruderboote; bei den Schiffen ließen sie soviel Volks zurück, als nötig war, um sie zu bewachen und sie am nächsten Tag in den Hafen hereinzubringen. Gegen Mitternacht kamen sie an einen Ort namens Estera longa Lemos, wo sie landeten. Von da marschierten sie bis zum ersten Vorposten der Stadt unter Führung eines Engländers, der vor kurzem dort gefangen gewesen war und deshalb die Wege sehr wohl kannte. Dieser Engländer ging mit drei oder vier Mann voraus: die fingen denn, ohne zu schießen und ohne irgendwelchen Lärm zu machen, die Schildwache ab. Banden nun ihren Mann fest und brachten ihn zu Morgan, der ihn sogleich ausfragte, wie es in der Stadt stünde und wie stark die Besatzung wäre, was der Gefangene auch alles berichtete. Sie ließen ihn dann gebunden an ihrer Spitze marschieren unter der Androhung, daß es ihm das Leben kosten solle, wenn er ihnen nicht die Wahrheit gesagt hätte. Etwa eine Viertelstunde mochten sie mit ihm marschiert sein, da kamen sie an die Redoute, die sie umzingelten, damit keine Leute herauslaufen möchten. Hierauf hieß er die, so darin waren, diese Redoute übergeben, andernfalls würde er ihnen keinen Pardon gewähren. Sie hinwiederum bezeigten sich einigermaßen obstinat und schossen tapfer drauf los, um zumindest die in der Stadt zu warnen, wie denn auch wirklich in der Stadt sogleich Alarm gerufen ward. Trotzdem war die Redoute bald bezwungen, und sobald die Piraten sie eingenommen hatten, sprengten sie sie in die Luft samt allen Spaniern, die darin waren. Hierauf eilten sie weiter, nach der Stadt zu, wo die meisten Bürger noch im Bett lagen: hatte doch niemand gedacht, daß die Räuber so keck sein würden, einen festen Platz wie Puerto Belo anzugehen. Als nun die Räuber in die Stadt kamen, packten die Leute, die auf den Beinen waren, alles, was sie hatten, und schmissen es in die Brunnen. Sie hofften noch, den Räubern würde Einhalt getan werden: allein von diesen ging ein Teil nach den Kastellen zu, der andere nach den Klöstern und nahm dort die ganze Geistlichkeit gefangen. Der Gouverneur hatte sich indes in die Kastelle zurückgezogen und gab tüchtig Feuer gegen die Piraten, die ihm die Antwort nicht schuldig blieben: denn sie zielten so genau auf die Geschützmündungen, daß die Spanier allemal sieben oder acht Mann verloren, bevor sie ein Geschütz laden konnten. Das Gefecht hatte vom frühen Morgen bis zum Mittag gedauert, und noch immer hatten die Räuber das Kastell nicht einzunehmen vermocht. Ihre Schiffe lagen vor dem Hafeneingang, und, wer etwa zur See hätte die Flucht ergreifen wollen, wäre nicht bis dahin gelangt infolge des gewaltigen Feuers, das die Kastelle zu beiden Seiten entsandten. Schließlich hoben die Piraten, als sie sahen, daß sie viele der ihren verloren hätten und dennoch bei den Kastellen nicht vorwärts kämen, mit Handgranaten draufloszugehen an, auch versuchten sie das Festungstor in Brand zu stecken; aber als sie dicht bis an dieses heran gekommen waren, trieben sie die Spanier zu schleunigstem Rückzug, indem sie an die fünfzig Töpfe voll Pulvers, auch große Steine auf die Piraten nieder hageln ließen, was diesen großen Schaden tat. Schon fingen Morgan und die Seinen an, den Mut sinken zu lassen – da sahen sie mit einem Mal die englische Flagge von dem kleinen Kastell wehen und einen Haufen der Ihren mit Viktoriageschrei auf sich zukommen. Kaum hatte Morgan solches wahrgenommen, da begann er, wiewohl es ihm selbst übel ergangen war, neuen Mut zu fassen, und wandte sich stadteinwärts, um irgend etwas zur Eroberung des Forts ins Werk zu setzen. Es war ihnen daran um so mehr gelegen, als die Vornehmsten der Stadt sich darin befanden und Silber, Gold, Juwelen, auch die Kirchenkleinodien, mitgenommen hatten. Nun, Morgan ließ also zwölf große Leitern zimmern, auf denen vier Mann nebeneinander hinaufklettern konnten, nahm dann sämtliche Mönche und Nonnen her und ließ sie die Leiter zum Kastell tragen, ja, auch gegen die Mauern anlehnen. Er hatte vorher dem Gouverneur entbieten lassen, daß er solches tun würde, wo sie das Kastell nicht übergäben; erhielt aber zur Antwort, daß jener das Kastell nicht bekommen solle, solange er selber am Leben wäre. Darauf ließ denn Morgan die Leitern kommen, die denn wirklich von den Mönchen, Pfaffen und Frauen getragen wurden unter Führung der Räuber, die gar nicht daran dachten, daß der Gouverneur auf seine eigenen Leute schießen würde: allein er
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