Piraten der Karibik - Exquemelin, A: Piraten der Karibik
Hinterhalte an, nach denen er auch etliche Kanonen verbringen ließ. Er hatte nun aus der Stadt und den umliegenden Orten etwa achthundert Mann zusammengebracht und versah alle seine Hinterhalte mit so viel Besatzung als er für nötig hielt; den Rest hielt er en masse nahe der Stadt beisammen auf einem schönen weiten Felde, wo man den Feind von weitem herankommen sehen konnte. Noch waren die Spanier dabei, ihre Hinterhalte gegen den Feind wehrhaft zu machen, als ihnen die Piraten schon auf den Leib rückten; als sie die Wege versperrt fanden, zogen sie durch die Wälder, wodurch sie auch einigen von den spanischen Hinterhalten auswichen. Endlich kamen sie an jenes freie Feld, das von den Spaniern Savana genannt wird. Als die Spanier sie zu Gesicht bekamen, schickt der Gouverneur den Räubern sogleich einen Schwarm Reiter entgegen, um sie – vermeinte er doch, sie würden Angst bekommen, so sie ihn mit solcher Macht wider sie anrücken sähen – falls sie die Flucht ergreifen sollten, durch diese Reiterei um Leib und Leben zu bringen. Allein es fiel ganz anders aus: denn die Räuber, die bis dahin zum Schlag der Trommeln mit fliegenden Fahnen marschiert waren, fingen nun an, ihre Reihen aufzulockern und einen Halbmond zu bilden, indes sie gleichzeitig die Spanier attackierten. Diese hielten ihnen fürs erste ziemlich wacker Stand, aber das währte nicht lang – denn, wie sie sahen, daß die Räuber ihr Ziel keineswegs fehlten und unablässig auf sie Feuer gaben, begannen sie zu erlahmen und, zumal sie ihren Gouverneur zu ihren Füßen niedersinken sahen, dem Waldrand zuzustreben, um auf bessere Weise entwischen zu können. Ehe sie freilich dahin gelangten, waren schon die meisten auf dem Schlachtfelde geblieben, doch entlief der Rest in den Wald. Hierauf marschierten die Räuber der Stadt zu, als unbestrittene Sieger und hohen Mutes voll; denn sie hatten bei diesem Gefechte, das etwas vier Stunden gewährt hatte, sehr wenig Tote und Verwundete zu beklagen. Kurz nach jenem Gefecht auf der Savana kamen die Räuber in die Stadt hinein, wo sie nochmals Gegenwehr fanden von einem Trupp, der bei den Frauen zurückgeblieben war; auch halfen jenen etliche, die auf der Savana gewesen, und noch Hoffnung hatten, die Räuber von der Plünderung der Stadt abhalten zu können. Einige versammelten sich auch in ihren Häusern und schossen aus den Fenstern; als aber die Piraten dessen gewahr wurden, drohten sie, die ganze Stadt in Brand zu stecken und Frauen und Kinder niederzumachen. Auf diese Drohung hin ergaben sich die Spanier, die Unheil fürchteten: denn sie wußten, daß die Räuber nicht lange weitermachen und die Stadt unter ihrer Botmäßigkeit halten könnten, weshalb sie das Befürchtete wohl wirklich zur Ausführung gebracht haben würden.
Nachdem die Räuber solchermaßen die Stadt erobert, hießen sie alle die Spanier, deren sie habhaft wurden, samt Weibern, Kindern und Sklaven in die Kirche gehen, wo sie alles, was sie in der Stadt finden konnten, zusammentrieben. Wie nun dort alles beieinander war, hoben sie an, auf die Streife zu gehen und brachten tagtäglich noch mehr Beute und Gefangene nach der Stadt, so daß ihnen die Zeit nicht lang ward, denn sie hatten ein Leben nach ihrem Sinn, aßen und tranken, solange etwas zu finden war. Allein die armen, elendigen Gefangenen, so in der Kirche waren, brachten die Zeit nicht auf so angenehme Art zu, sie waren viel weniger guten Mutes als die Räuber: denn sie bekamen gar wenig zu essen und würden obendrein täglich mit unaussprechlichen Martern gequält und heimgesucht, auf daß sie verraten möchten, wo sie ihr Geld und Gut verborgen hielten. Da war so mancher arme Teufel gefoltert, der weder Geld noch Gut hatte, sondern bloß von des Tages Arbeit Weib und Kind ernährte. Allein diese Wüteriche achteten solches gar nicht; sie sagten bloß: will er nicht bekennen, so hängt ihn auf! Da waren arme Frauen mit kleinen Kindlein an der Brust, die nichts hatten, diese unschuldigen Lämmlein zu ernähren, weil sie selber vor Hunger und Schmerz vergingen. Aber auch das erweckte der Räuber Mitleid nicht. Wenn es ihnen beifiel, schossen sie zuweilen eine Kuh oder einen Stier nieder – wenn sie sich dann davon das beste Stück genommen hatten, gaben sei den Rest den Gefangenen – mochten die damit tun, was sie wollten! Allein sobald nichts mehr zu essen noch zu trinken noch zu plündern da war, beschlossen die Räuber, abzuziehen. Sie gaben den Gefangenen Weisung, das sie
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