Piraten der Karibik - Exquemelin, A: Piraten der Karibik
schonte ihrer so wenig als der Piraten selbst. Die Mönche beschworen wohl bei allen Heiligen des Himmels den Gouverneur, er möge doch das Kastell übergeben, damit ihr Leben verschont bliebe, aber sie fanden kein Gehör. Sie mußten die Leitern aufstellen, ob sie wollten oder nicht. Als dann die Leitern an der Mauer standen, wurden sie sofort von etlichen Räubern erklommen, die mit Handgranaten und Stinktöpfen bewaffnet waren und die Spanier sehr heftig angriffen; aber sie wurden durch diese gar grimmig zurückgetrieben. Dennoch ließen die Piraten den Mut nicht fahren: etliche steckten das Festungstor in Brand und kletterten mit der gleichen Behändigkeit wie zuvor die Leitern wieder hinan. Als denn die Spanier sahen, daß man ihnen mit solcher Gewalt zu Leibe rückte, gaben sie ihre Sache verloren, mit Ausnahme des Gouverneurs, der ganz desperat sein eigen Volk wie den Feind niedermachte. Die Räuber boten ihm Pardon an; er aber lehnte ihn ab mit diesen Worten: Mas vale morir como soldado honrado que ser ahorcado como un cobarde.“ Das heißt: „Besser als ein mutiger Soldat sterben, denn am Galgen enden als ein Feigling.“ Sie versuchten wohl, ihn gefangen zu nehmen, konnten es aber nicht und waren genötigt, ihn niederzuschießen. Seine Frau und Tochter, die mit im Kastell waren, flehten ihn an, sein Leben zu erhalten, allein es half nichts. Nachdem das Kastell gefallen war – was sich gegen Abend zutrug – wurden alle Gefangenen hineingeführt, jedoch Männer und Frauen in getrennte Gebäude. Einige Leute wurden zur Beaufsichtigung der Gefangenen kommandiert, dann brachten sie ihre eigenen Blessierten in ein nahegelegenes Haus. Nachdem sie all das wohl geordnet hatten, fingen sie ein lustig Treiben an mit Wein und Weibern. Fünfzig beherzte Männer hätten in dieser Nacht die sämtlichen Räuber ins Jenseits befördern können.
Am nächsten Tage begannen die Piraten ihre Beute zusammenzutragen und die einzelnen Häuser abzusuchen; dann nahmen sie etliche aus dem Gefangenenhaufen her und fragten sie, welche die reichsten wären; als ihnen dann diese gezeigt wurden, frugen sie diese, wo sie ihr Gut hätten, und, wenn sie sich unwillig erzeigten, das zu verraten, wurden sie sofort auf die Folterbank gelegt und solange tormentiert, bis daß sie entweder den Geist aufgaben oder die Sache bekannten. So manche unschuldige Menschen, die nichts besaßen, starben als Märtyrer unter den Foltern, welche die Räuber ihnen antaten, so daß denn niemand frei von solchen war als diejenigen, welche sie zu ihrer versteckten Habe hinführten.
Unterdes wandte der Präsident von Panama, der von der Einnahme von Puerto Belo Nachricht bekommen hatte, allen möglichen Fleiß daran, eine zur Vertreibung der Räuber ausreichende Macht zusammenzuziehen. Diesen kam hierüber eine Warnung zu von Seiten einiger Gefangener, die sie machten; sie ließen sich aber nicht sehr davon anfechten: hatten sie doch ihre Schiffe bei sich, und, wenn sie sich etwa nicht mehr halten könnten, würden sie eben die Stadt in Brand stecken und in See stechen. Nachdem sie vierzehn Tage allda gelegen, begann die Landseuche gewaltig unter ihnen zu wüten, sowohl wie durch den Gestank der vielen toten Leiber die Luft verdorben war, als infolge der vielen Ausschweifung, die sie mit Trunk und Weibern getrieben hatten. Auch die meisten ihrer Blessierten starben; ebenso wenig kamen von den Spaniern viele auf – allein die starben nicht durch Überfluß, sondern durch Not und Ungemach; denn statt daß sie allmorgendlich, wie sie es gewohnt waren, ihr Tässlein Schokolade bekamen, waren sie glücklich, so sie ein Stücklein Brot oder Mauleselfleisch erhaschten.
Unterdes machte Morgan alles zur Abreise fertig. Die Beute wurde eingeschifft, dazu noch so viel Lebensmittel, als zu bekommen waren; sodann tat Morgan den sämtlichen Gefangenen kund, daß er Brandschatzung für die Stadt begehre: bekäme er die nicht, so würde er die Stadt in Brand stecken und die Kastelle dem Erdboden gleich machen. Und damit sie Sorge trügen, das Geld zusammenzubringen, erlaubte er ihnen, zwei Männer auszuschicken, welche die geforderte Summe von hunderttausend Stück von Achten einsammeln sollten. Diese zwei Männer, welche die Brandschatzung hatten holen sollen, begaben sich aber zum Präsidenten von Panama und berichteten ihm alles, was in Puerto Belo vorgefallen. Der Präsident hatte schon einige Leute beisammen und kam damit in die Nähe von Puerto Belo; wie aber die
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