Piraten der Karibik - Exquemelin, A: Piraten der Karibik
ist, muß er einen halben Reichstaler geben. Sind es Passagieren, müssen sie so viel geben, als man von ihnen fordern mag. Wenn das Schiff noch niemals durchpassiert ist, muß der Schiffsherr ein Oxhoft Wein geben, andernfalls dürfen sie die Galionsfigur vom Schiff absägen, ohne daß der Schiffsherr oder Kapitän etwas dawider haben kann. Alles was man gibt, wird dem Oberbootsmann eingehändigt, der es in Verwahrung hält, bis er in einen Hafen kommt, wo er Wein dafür kauft und dem sämtlichen Schiffsvolk austeilt. Niemand von beiden Nationen kann Rede stehen, warum sie dieses tun, als daß sie sagen, es sei ein alter Brauch bei den Seeleuten. Einige sagen, es haben Kaiser Karl V so verordnet, allein in seinen Verordnungen ist nirgends etwas davon zu finden. Dieses habe ich beiläufig und nur um der Seeleute Zeremonien zu gedenken hier aufgeschrieben, nunmehr aber wollen wir unsere Reise verfolgen.
Nachdem wir das Ras passiert hatten, bekamen wir einen sehr günstigen Wind bis an das Kap Finis Terrae, wo wir einen schweren Sturm erlitten und voneinander gerieten. Dieser Sturm währte acht Tage. Es war ein unglaubliches Elend zu sehen, wie auf unserem Schiff die Menschen durch die See von Steuerbord an Backbord gespült wurden, und hatten die Kraft nicht sich aufzurichten, so seekrank waren sie. Die Matrosen mußten bei ihrer Arbeit mit Füßen auf sie treten. Danach bekamen wir wieder gut und bequem Wetter und verfolgten unseren Kurs so glücklich, dass wir unter den Zirkel, genannt Tropicus Cancri, gelangten. Dies ist ein von den Sternguckern imaginierter Zirkel, welcher gleichsam eine Grenzscheide der Sonne auf ihrem Wege nach dem Norden hin ist, und liegt in der Höhe von 23 Grad 30 Minuten nördlich der Linie. Wir wurden da wieder getauft auf die Manier, die ich oben erzählt habe, dieweil die Franzosen allzeit unter der Linie unter dem Tropico Cancri und unter dem Tropico Capricorni zu taufen pflegen. Hier hatten wir nun sehr guten Wind, der uns auch hochnötig war, weil wir Mangel an Wasser hatten, und des Tages auf die Person nicht mehr als zwei Trinkgläslein kamen.
Wir bekamen (ungefähr auf der Höhe von Barbados) ein englisch Königsschiff in Sicht, das jagte uns nach mit vierundzwanzig Stücken. Als es aber sah, daß es keinen Vorteil über uns hatte, lief es von uns ab. Wir jedoch folgten ihm, und schossen nach ihm mit unseren Achtpfündern. Weil es aber besser besegelt war als wir, mußten wir es endlich lassen.
Hierauf nahmen wir unseren Kurs fort und bekamen die Insel Martinique in Sicht. Wir taten alles was wir konnten, um auf die Rede von St. Peter zu kommen, wurden aber durch einen schweren Sturm daran gehindert, daher wir nach Guadeloupe zu steuern gewillt waren, jedoch der Sturm widerstand uns so heftig, daß wir auch dahin nicht kommen konnten; mußten deswegen endlich allein nach der Insel Tortuga, wohin wir eigentlich beordert waren. Wir liefen längs der Küste von Puerto Rico hin, welches eine sehr schöne und lustige Insel ist, bedeckt mit schönen Bäumen bis zu den höchsten Gipfeln der Berge hinauf. Danach bekamen wir die Insel Española in Sicht, die wir nachgehend beschreiben wollen. Wir segelten ebenmäßig an der Küste hin, bis wir endlich die Insel Tortuga, just auf den 7. Juli selbigen Jahres erreichten und auf der ganzen Reise nicht einen einzigen Mann verloren hatten. Die Güter der Kompagnie wurden hier ausgeladen und bald darauf das Schiff mit einigen Passagieren nach Cul de Sac geführt.
D AS ZWEITE K APITEL
Beschreibung der Insel Tortuga. Derselben Gewächse und Früchte. Wie die Franzosen dahin gekommen und zweimal durch die Spanier wieder ausgetrieben worden sind. Und wie der Reisebeschreiber dort dreimal verkauft wurde
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Die Insel Tortuga liegt an der Nordseite der großen und berühmten Insel Española ungefähr zwei Meilen von ihr auf der Höhe von 20 Graden 30 Minuten nördlicher Breite und hat ungefähr sechzehn Meilen in der Runde. Sie hat den Namen Tortuga bekommen, dieweil sie an Gestalt einer Schildkröte gleicht, die von den Spaniern Tortuga genannt wird. Sie ist voller Felsenspitzen, doch gleichwohl bedeckt mit großen Bäumen, die aus den Felsen hervorwachsen, da doch ganz und gar keine Erde zu sehen ist und die Wurzeln auf dem Steine bloßliegen. Die Nordseite ist unbewohnt und sehr unwirtlich, zumal weder Hafen noch Strand da ist, ausgenommen einige geringe Plätze zwischen den Klippen. Also ist die Südseite allein bewohnt und hat nur einen Hafen,
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