Piratenblut
im
Winde standen.
Dieuxdonné !
Der Ruf pflanzte sich von Mann zu Mann, von Schiff zu Schiff fort. Und die Preußen waren weit, so weit! »Sollen wir Notraketen abschießen?« fragte der Kapitän.
»Meint Ihr, daß das Zweck hat? Werden die Preußen darauf reagieren?«
»Jeder anständige Seemann ist verpflichtet, bei einem Notruf Hilfe zu leisten.«
»Gut«, antwortete van Groot mit bebenden Lippen. Sein Gesicht verfiel zusehends.
Termeulen, der auf dem Vorderkastell stand, hatte die Lippen zu einem Strich zusammengepreßt. Wie eine Vision stand der Untergang der Schiffe, das Ende der Reederei und damit auch der Wegfall seiner ausgezeichneten Verdienstquelle vor seinen Augen.
Der Schrecken vergrößerte sich noch, als ein zweites Schiff sichtbar wurde. Der Reeder, sein Sekretär und alle anderen erkannten mit einem Blick, daß sie Léon de Musset vor sich hatten. Sollte sich der zu Unrecht inhaftierte Franzose nun dadurch rächen, daß er sich mit Dieuxdonné verbunden hatte? Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten.
Das Schiff Dieuxdonnés beschrieb jetzt einen Bogen, und sein Bruder folgte ihm. Der
»Schwarzrote« strich kurz darauf am ersten Schiff der van Groot'schen Flotte vorbei.
Donnernde Salven ließen die Luft erzittern.
Die Seeschlacht war in vollem Gange.
Immer neue rote Raketen stiegen zum Himmel auf.
»Schiff in Gefahr«, rief der Ausguck auf der »Trueno«, als er die ersten roten Leuchtraketen aufsteigen sah.
Der Pfeifer stand zu dieser Zeit auf dem Vorderkastell und suchte unermüdlich den Horizont ab, um irgendwo die roten Segel des »Schwarzroten« zu entdecken.
Auf den Ausruf des Mannes auf dem Mast hin wandte er sich ruckartig um. Da nahm auch er die in kurzer Folge in den mittäglichen Himmel steigenden Raketen wahr.
Und dann trug der Westwind das Donnern der Salven herüber. Der Widerschein der feuernden
Geschütze war in Form von roten Blitzen zu erkennen.
Marina stand auf einmal neben ihm.
»Meint Ihr, daß das die uns folgenden Schiffe der Holländer sind, Miguel?« »Wahrscheinlich.«
»Aber mit wem liegen sie im Kampf?«
»Es kann sich eigentlich nur um Dieuxdonné handeln, Marina. Der Pirat muß uns entwischt sein und stürzt sich nun auf die unterlegenen Frachter.«
Wieder und wieder hörte man das tiefe Grollen der Geschütze. Und zwischendurch stiegen
Raketen empor.
»Wollen wir sie sitzenlassen?« fragte Marina.
Michel schien noch mit sich zu kämpfen. Was hatte er für eine Veranlassung, dem Reeder noch beizustehen? Eigentlich keine. Und doch war es schließlich Seemannsbrauch, einem von Piraten angegriffenen Schiff zu Hilfe zu eilen. Andererseits hätte es gar nicht zu dieser Schlacht kommen brauchen, wenn van Groot im Hafen geblieben wäre. Sein Auslaufen allein bedeutete eine bewußte Provokation des Piraten.
»In Gottes Namen«, sagte Michel. »Ihr sollt Euern Krieg haben, Marina. Ich glaube auch, daß wir ihnen helfen müssen. Also laßt wenden, und dann so schnell wie möglich gegen den Wind gekreuzt!« Marina ergriff das Sprachrohr und gab ihre Kommandos. Die Flottille vollführte eine Schwenkung nach Norden.
Señor Virgen hielt nicht viel vom Kreuzen. Er steuerte lieber einen Bogen. Durch verschiedene Segelmanöver erreichte er, daß die Schiffe, vor allem aber die »Trueno«, fast mit der gleichen Geschwindigkeit durch den Bogen liefen.
Vom Vorderkastell aus konnte man bereits die ersten Segel der kämpfenden Schiffe erkennen. Als man sich noch weiter genähert hatte, loderte auf dem zweiten der Frachter bereits heller Brand auf. Der Pirat schien sich nicht aufs Entern einzulassen.
»Diablo«, entfuhr es dem neben den Buggeschützen stehenden Ojo, »das sind ja zwei Angreifer.
Por Dios, der Ozean soll austrocknen, wenn das nicht der Franzose ist, der mit dem
»Schwarzroten« im Verein angreift.
Michel kam herunter.
»Alle Geschütze klar?« fragte er.
»Klar zum Gefecht«, meldete Ojo.
Die Lunten brannten in den Fässern. Die Kanoniere konnten das Kommando kaum erwarten; aber sie waren noch viel zu weit entfernt, um wirksam einzugreifen. Michel stand mit Marina und Tscham ganz vorn am Bugspriet.
»Der Franzose hat sich also mit dem Piraten zusammengetan«, meinte Marina kopfschüttelnd. »Wie kommt er dazu?«
Michel blickte schweigend vor sich nieder. Er dachte an seine eigene Theorie, die er im Haus des Farmers Jan van Groot aufgestellt hatte. Und hier schienen sich seine Gedanken zu bestätigen. Dieuxdonné war nicht ein Pirat, sondern das waren
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