Piratenblut
ließ das weiße Tuch sinken, legte die Hände trichterförmig um den Mund und rief auf englisch:
»Man sagt, die Preußen seien ritterliche Kämpfer. Wir wissen, daß wir unterlegen sind; aber wir werden weiterkämpfen. Nur bitten wir euch, diese Dame hier an Bord zu nehmen und in Sicherheit zu bringen.«
Er beugte sich lauschend vor und wartete auf Antwort. Dann kamen die Worte des Pfeifers. »Wir sind einverstanden. Setzt ein Boot aus und laßt die Dame von Euern Leuten
herüberbringen. Der Kampf ruht, bis Eure Männer wieder an Bord sind.«
»Merci bien«, rief René und grüßte mit weit ausholender Handbewegung, wobei er es sich nicht nehmen ließ, eine höfliche Verbeugung zur »Trueno« zu machen.
Unterdessen hatte man auf der »Dimanche« gemerkt, daß irgend etwas anders war. Abu Hanufa gab den Befehl zur Einstellung des Feuers. Und sofort schwiegen auch Dieuxdonnés
Backbordgeschütze.»Ein ehrlicher Kämpfer und ein tapferer Mann«, stellte Ibn Kuteiba fest, und Hochachtung schwang in seiner Stimme mit.
Ellen-Rose, die jetzt erst merkte, was René ausgehandelt hatte, klammerte sich mit einem verzweifelten Aufschrei an ihn. Ganz zart strichen die rußgeschwärzten Finger Renés über das blonde Haar des Mädchens, und seine Lippen flüsterten:
»Es muß sein, Ellen-Rose. Du bist zu jung, um schon zu sterben.«
Von der »Trueno« her beobachtete man durch die Gläser alle Einzelheiten dieser Abschiedsszene.
»Die Geliebte des Piraten«, stellte Marina fest, wobei sie Michel anblickte. »Es muß schön sein, so geliebt zu werden. Könnte man dem Piratenkapitän und seinem Mädchen nicht das Leben schenken?«
»Ich habe nicht den Eindruck, daß er bereit wäre, sich zu ergeben«, sagte Michel. »Außerdem würde ihm das auch nichts nützen; denn van Groot brennt wahrscheinlich darauf, ihn hängen zu sehen.« —
Van Groots Flaggschiff, das durch einen Schuß ins Ruder schon seit Beginn der Schlacht manövrierunfähig geworden war, hatte Boote ausgesandt, um im Verein mit der ihm zu Hilfe geeilten »Mapeika« die von Bord gesprungenen Seeleute der brennenden Schiffe zu retten. Als drüben die Kampfpause einsetzte, stampfte van Groot zornig mit dem Fuß auf.
»Was ist in den Preußen gefahren? Sie werden doch nicht etwa den Verbrecher entkommen lassen.« Auf Frans Termeulens Stirn hatten sich tiefe Falten gebildet.
»Ich habe den Eindruck«, sagte er, »daß die Burschen verhandeln.«
»Haha«, lachte der Reeder bitter auf. »Das ist nun die vielgerühmte preußische Tapferkeit! Man sollte meinen, daß es ihnen ein Bedürfnis wäre, ihre Erzfeinde, die verdammten Franzosen, in den Grund zu bohren.«
»Ich fürchte«, sagte Termeulen, »dieser Kommodore hat überhaupt keine solchen Bedürfnisse.« »Es ist und bleibt eine Schande, daß sie uns zu Anfang im Stich gelassen haben! Da, seht Euch das an, Frans, was von der stolzen Flotte unserer Reederei nun übriggeblieben ist! Aber immerhin, wenn Dieuxdonné fällt, so können wir wenigstens mit Ruhe von neuem beginnen. Ich bringe das dazu nötige Kapital schon noch einmal auf die Beine.« »Gott geb's«, nickte Frans. —
Die Obereinkunft zwischen der »Trueno« und dem »Schwarzroten« war abgeschlossen. EllenRose befand sich wohlbehalten an Bord.
Michel rief, bevor die Feindseligkeiten wieder auflebten, hinüber: »Ergebt Euch, Dieuxdonné, Ihr habt keine Chancen mehr!« René antwortete lachend: »Ergeben? Wozu? Um in Batavia am Galgen zu enden?« »Ich werde versuchen, Euch zu verteidigen.«
»Das ist sehr edel von Euch; aber gegen den abgefeimtesten Schurken Hollands, diesen van
Groot, würdet Ihr nicht aufkommen.«
»Was habt Ihr gegen van Groot?«
Wieder kam das Lachen.
»Es ist so viel, daß ich Stunden brauchen würde, um es Euch auseinanderzusetzen. Ich schätze, Ihr werdet nicht so lange warten wollen. Aber wenn Ihr mich zuNeptun geschickt habt, und solltet Ihr Léon de Musset je in Euerm Leben wieder begegnen, so laßt es Euch von ihm erzählen. Dann werdet Ihr einsehen, daß Ihr auf der falschen Seite gekämpft habt.«
»Weshalb habt Ihr heute morgen im Hafen eines meiner Schiffe angegriffen?«
»Wegen eines Mißverständnisses. Die Dame, die jetzt neben Euch steht, berichtete mir, daß Ihr im blauen Salon des »Adlon« eine Absprache mit den Holländern gegen mich getroffen habt. Ich wollte Euch einen Denkzettel geben und erfuhr leider erst zu spät von Léon de Musset, daß Ihr Euch noch gar nicht klar entschieden hattet. —
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