Piratenblut
Herr.«
»Was für Dinge? Sie meinen doch damit nicht etwa die Freiheit des Gedankens?«
»Doch, das meine ich. Sie haben es gewagt, eine unserer Maßnahmen nicht gutzuheißen — —
—«
Der Pfeifer lachte ihm offen ins Gesicht.
»Ich heiße noch ganz andere Dinge nicht gut. Ich heiße vor allen Dingen nicht gut, daß Sie mir verbieten wollen, so zu denken, wie ich will. Haben die Niederlande vielleicht deshalb einen jahrzehntelangen Kampf gegen die spanischen Tyrannen geführt, damit ihre Bürger die Grundrechte der Freiheit mit Füßen treten? Ich verstehe Sie nicht, mein Herr.«
»Sie werden mich gleich verstehen. Ich will deutlicher werden.« — Er machte eine Kunstpause.
»Sie haben sich nicht nur die Freiheit des Denkens, sondern auch die Freiheit des Handelns
genommen. Sie waren es, der Musset befreite.«
Michel schüttelte den Kopf. Dann sagte er spöttisch:
»Ich danke Ihnen für das große Zutrauen, das Sie in mich setzen, muß Sie aber leider enttäuschen, meine Herren. Ich war nicht so glücklich, Monsieur de Musset seine Freiheit wiedergeben zu können.«
Er wandte sich um und ließ die Besucher einfach stehen. Irgendwann würden sie ja wohl dann
auch gehen.
Die Ankerwinde rasselte.
Flaggensignale flogen herüber und hinüber. Auch die Segel der »Dimanche« blähten sich jetzt im Wind.
Die Kommandorufe wurden häufiger, und bald nahm die »Trueno« langsam Fahrt auf. Van Groot und Termeulen kamen an Deck gestürzt. Sie suchten Michel. Als sie ihn gefunden hatten, rief der Reeder mit weinerlicher Stimme:
»Verlassen Sie uns jetzt für immer? Wollen Sie sich nicht für die Beschießung Ihres Schiffes
rächen?«
Michel blickte ihn ärgerlich an.
»Wir werden sie verfolgen. Wir werden vielleicht mit ihnen kämpfen; aber wir werden das für uns und allein tun. Ich werde Dieuxdonné, wenn er es war, bestrafen; aber es wird mir leid tun, daß ich Ihnen damit zwangsweise einen Dienst erweise.«
»Lassen Sie sofort das Schiff stoppen! Wir werden Sie begleiten. Ich will meine Flotte klarmachen. Je mehr Schiffe wir sind, um so einfacher wird es sein, Dieuxdonné zu erwischen.« »Tun Sie, was Sie wollen. Wir fahren jetzt. Und ich werde mich nicht darum kümmern, was Sie machen. — Ich empfehle Ihnen, schleunigst von Bord zu gehen, sonst wird der Weg zum Ufer für Ihre Barkasse zu weit.«
Die Gangway war bereits eingezogen. Und so blieb den Herren nichts weiter übrig, als den beschwerlichen Weg über die Strickleiter zu nehmen.
Michel hörte, wie der Reeder den Ruderern den Befehl zurief, sofort zu seinem Flaggschiff zu pullen.
Und als die »Trueno« die Hafenausfahrt hinter sich hatte, nahm Ojo wahr, daß die Holländer die Segel setzten.
Der Pfeifer wunderte sich. Mochte dieser van Groot auch ein noch so unangenehmer Bursche sein, Mut hatte er. Nochmals gegen den weit überlegenen Dieux-donné auszulaufen, zeugte immerhin von einem nicht alltäglichen Kampfgeist. Wahrscheinlich trieb ihn die Verzweiflung zu diesem Schritt. Vielleicht auch die Hoffnung, daß die drei »preußischen« Schiffe den Gegner so schwächen würden, daß er dann den Rest übernehmen konnte.
65
Wieder gingen die Männer von Dieuxdonnés Schiff außenbords. Metallenes Hämmern klang über die weite See. Stück für Stück bröckelte die weiße Farbe vom Rumpf, und das Schwarz kam mehr und mehr zum Vorschein.
In Kiellinie des »Schwarzroten« fuhr das Schiff Léon de Mussets. Sie segelten an der Küste nach Osten, bis sie jene versteckte Bucht erreichten, aus der Dieuxdonné in der Nacht ausgelaufen war.
Die Schiffe ankerten dort. Mehrere Leute wurden, mit Ferngläsern bewaffnet, auf die
Vorsprünge der bergigen Küste geschickt, um das Meer zu beobachten und etwaige Verfolger rechtzeitig auszumachen.
Dieuxdonné und Pierre saßen in der Kapitänskajüte und besprachen die letzten Ereignisse.
Es klopfte, und ein Matrose meldete die Ankunft Léon de Mussets.
»Hallo, René«, rief er freudig. »Wie geht's dir?«
René erhob sich und schüttelte dem Besucher die Hand.
»Ich glaube, diese Frage sollte ich lieber dir stellen, mon cher Léon. Aber ich habe den Eindruck, daß du dich im Gefängnis glänzend erholt hast.« Léon griff zum Glas und prostete dem Oberbootsmann zu.
»Eine Freude, Pierre, dich endlich einmal wiederzusehen, alter Knabe. So oft waren wir draußen
auf See dicht nebeneinander und hatten doch nie Gelegenheit, uns zu sprechen oder ein Glas
Wein miteinander zu trinken.«
René setzte
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