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Piratenbraut

Piratenbraut

Titel: Piratenbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Geisler
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Schokoladenkuchen muss noch verziert werden. Gedanken schwirren durch meinen Kopf: Was war denn das jetzt? Habe ich mich etwa überrumpeln lassen?
    Auf jeden Fall war dies der mit Abstand produktivste Abend, seit ich Piratin bin. Im schummrigen Licht der Laternen haben wir vor einem Eckcafé gesessen, bis uns die Bedienung nach drinnen bat. Wir haben Absatz für Absatz meinen Programmantrag, mit dem ich den Bundestagswahlkampf der Piraten um ein paar familienpolitische Forderungen bereichern möchte, überarbeitet und wieder in ein halbwegs vorzeigbares Papier verwandelt. Das war auch nötig. Ohne die beiden wäre ich aufgeschmissen gewesen.
    Ich weiß noch, wie erleichtert ich war, als Annika mir vor fünf Tagen bei einem »Kegelklub«-Treffen in einem Kreuzberger Café anbot, sie könne mir helfen, meine Initiative fürs Wahlprogramm in die richtige Form zu bringen. Mit Annikas Unterstützung könnte aus dem Plan vielleicht doch noch etwas werden!
    Die Philosophie-Studentin war mir vom ersten Moment an sympathisch gewesen. Eine zurückhaltende, kluge Person. Zu unserem heutigen Arbeitstreffen hatte Annika gleich auch noch Philipp mitgebracht, einen smarten Mathematiker aus meiner Crew. Bei Weinschorle, Saft und Ziegenkäsesalat saßen wir an unseren Laptops und arbeiteten – dank WLAN und Piratenpad – alle drei gleichzeitig an meinem Antrag.
    Es gab viel zu tun. Meine Programminitiative, mit der ich die Piratenpartei auch für Leute mit kleinen Kindern wie mich attraktiv machen wollte, existierte eigentlich gar nicht mehr. Andere Piraten hatten sie in Teile zerlegt, mit unfertigen Ideen garniert und in diesem desolaten Zustand in einem Piratenpad zurückgelassen.
    Schuld daran war ich letztlich selbst. Schließlich hatte ich ja, ohne lange nachzudenken, meinen ersten Antragsentwurf noch aus dem Garten meiner Eltern heraus herumgemailt und die »Kegelklub«-Mitglieder um ihr Feedback gebeten. Und schon nach einer halben Stunde meldete sich der erste Pirat. Mein Antrag höre sich »super« an und komme ihm »zustimmungsfähig« vor, schrieb der Unbekannte, der sich Incredibul nannte. Allerdings könne man einige Sachen sicher noch besser formulieren: Zu meiner Elterngeldreform nach isländischem Vorbild »müsste mal was Durchgerechnetes dazu«. Und statt über »Mütter« und »Väter« zu schreiben, solle ich doch den Text so formulieren, dass er »z. B. auch für Queers passt«. Die Formulierung »beide Partner« finde er ebenfalls zu eng, schließlich wolle die Piratenpartei auch Familien mit mehr als zwei Erziehenden einkalkulieren. Er habe meinen Text übrigens »mal in ein Pad gegossen, damit alle mitarbeiten können«. Dahinter ein Link.
    Dieser Incredibul hatte sogar ein weiteres Piratenpad für mich angelegt? Wie zuvorkommend! Natürlich klickte ich den Link sofort an – und staunte erst recht: Der Pirat hatte meinen Antrag obendrein neu strukturiert und in »Module« zerlegt. Das erschien mir jetzt wirklich clever. Natürlich wäre es taktisch klug, das Projekt in Kleinteilen zur Abstimmung zu stellen. So könnte ich womöglich verhindern, dass Piraten meinen Antrag komplett ablehnen, nur weil ihnen bestimmte Aspekte missfallen.
    Wer dieser Incredibul wohl war? Laut Partei-»Wiki« ein umtriebiger Mannheimer Pirat, Jahrgang 1981, Kommunikationsdesigner. Ich kannte ihn nicht, trotzdem war er mir einfach so mit seinen Ideen zur Seite gesprungen. Offensichtlich gab es sie also doch, diese »Schwarmintelligenz«, von der die Piratenpartei angeblich so viel profitierte!
    Incredibul hatte sogar begonnen, meinen Elterngeld-Antrag zu erweitern, im Teamwork mit einer Piratin, die sich SofitaLunes nannte. Auch SofitaLunes – dem Piraten-»Wiki« zufolge eine Mannheimer Volkswirtin, Jahrgang 1990 – war ich noch nie begegnet. Aber Incredibul schien sie zu kennen. Nebenbei tauschten sich die beiden via Chat aus.
    Incredibul: »Ob man vielleicht das Kindergeld erhöhen sollte?« SofitaLunes: »Was? Nein. Grundeinkommen. Oder eben einfach konsequente Individualbesteuerung.« Incredibul: »Jo, das wär doch ein Schritt zum Grundeinkommen.« SofitaLunes: »So wie das eben jeder vernünftige andere Staat auch macht. Außer Deutschland hat nur Österreich das Ehegattensplitting. Und außerdem schon abgeschafft. Konsequente Individualbesteuerung. Basta.«
    So ging das hin und her: Kindergeld, Steuerfreibeträge, Ehegattensplitting, Grundeinkommen. Und so weiter. Ich verstand nur die Hälfte, war aber trotzdem bester

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