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Piratenbraut

Piratenbraut

Titel: Piratenbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Geisler
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zu einem anderen Mann pflege und die Mutter ebenfalls weitere Partnerinnen oder Partner habe. Dann wären das schon mindestens vier Bezugspersonen.
    Jetzt ahnte ich: Es ging womöglich darum, die Familienpolitik auch für sogenannte polyamore Lebensentwürfe zu öffnen, zu denen sich in den vergangenen Monaten einige namhafte Piraten bekannt hatten. Hatte ich eine wichtige Strömung innerhalb der Partei übersehen?
    Simon Kowalewski aus der Berliner Abgeordnetenhausfraktion zum Beispiel hatte sich gerade erst mit einer Bild -Reporterin zum veganen Frühstück getroffen und den Lesern sein multiples Liebesleben aufgetischt. »Monogame Beziehungen sind nicht für alle Menschen das richtige Modell«, versicherte er in dem Interview. »Ich hatte eine langjährige Freundin, verliebte mich dann in eine andere Frau. Als ich meine Freundin verließ, ging es ihr sehr schlecht. Da dachte ich, es muss was anderes geben, als sich zwischen zwei Menschen entscheiden zu müssen.« Ob er bei diesem polyamoren Lebenswandel nie eifersüchtig sei, hakte die Bild -Journalistin nach. Nein, versicherte Kowaleswki: »Wenn ich glücklich bin, bin ich nicht eifersüchtig.« Übrigens gebe es in Berlin »viele, die polyamor leben«.
    Keine Ahnung, was für ihn »viele« waren. Auch der Piraten-Geschäftsführer Johannes Ponader hatte sich schon öffentlich zur Polyamorie bekannt und auf einer Frage-und-Antwort-Plattform im Internet versichert: »In dem Moment, wo ich mich selbst und den Partner liebe und freilasse, kann ich auch mehrere Menschen gleichzeitig lieben.« Er persönlich, verriet Ponader, dürfe »das Geschenk erleben«, dass er nicht eifersüchtig werde, wenn er einen Partner freilassen solle, sondern »frubbelig, wie wir das nennen, mich also mit ihm mitfreue, wenn er sich anderswohin verliebt«.
    Eigentlich interessierten mich solche Bekenntnisse von Piraten-Politikern ja ebenso wenig wie die Affären von CSU -Chef Horst Seehofer oder die Ehe der Bundesfamilienministerin Kristina Schröder. Andererseits teilte ich die Ansicht von Annika und Philipp: Auch der Staat sollte sich aus dem Liebesleben seiner Bürger so weit wie möglich heraushalten. Aber hieß der logische Umkehrschluss, dass er auch eine beliebig hohe Zahl von Elterngeldbeziehern pro Kind ermöglichen müsste?
    Philipp spielte bereits neue Elterngeld-Varianten durch. Ein paar Minuten später stand ein weiteres Alternativmodell im Piratenpad:
    »Das Elterngeld sollte außerdem nur noch über den vollen Bezugszeitraum von 14 Monaten ausgezahlt werden, wenn mindestens zwei der bezugsberechtigten Personen mindestens vier Monate beruflich aussetzen. Die restlichen Monate können sie sich beliebig aufteilen. Falls sich die bezugsberechtigten Personen nicht einigen können, haben sie Anspruch auf jeweils gleiche Anteile der 14 Elterngeldmonate.«
    Respekt! Alleine wäre ich auf so eine Idee nie gekommen. Ich las mir den Vorschlag noch einmal durch. Auf den ersten Blick kam er mir wirklich clever vor. Er enthielt weiterhin mein ursprüngliches Ziel, die Väter zu einer längeren Auszeit zu motivieren. Andererseits schuf er Möglichkeiten, die Idee der Familie auch anders zu leben als in der traditionellen Mama-Papa-Kind-Version.
    Es war inzwischen nach 23 Uhr, Annika und Philipp wirkten genauso müde wie ich. Alle wollten nach Hause. Annika versprach, am nächsten Tag noch einen Abschnitt zur Teilzeitarbeit zu ergänzen und eine neue Präambel zu entwerfen. Dann zahlten wir und verabschiedeten uns.
    Nun stehe ich an der U-Bahn-Haltestelle, warte auf den nächsten Zug und bin ein wenig irritiert: Habe ich heute Abend zu wenig um meine Ideen gekämpft?
    Und wenn schon. Annika, Philipp und Incredibul haben mir bewiesen, dass die Idee der Mitmachpartei nicht nur eine Phrase ist. Mit ein bisschen Unverfrorenheit, mit halbwegs guten Ideen und einer Portion Glück kann man in dieser Partei tatsächlich auch mit Mitgliedsnummer 39.120 oder 40.424 noch programmatisch durchstarten. Wer hätte das für möglich gehalten? Ich eigentlich eher nicht. Und es geht ja gerade erst richtig los.

14 »Kann eine ganze Partei ADHS haben?«
    14 »Kann eine ganze Partei ADHS haben?«
Nach 100 Tagen als Piratin endet meine Schonfrist und ich ziehe die erste Zwischenbilanz
    Es ist der 14. August. Mein Smartphone meldet einen wichtigen Termin: »100 Tage Piraten«. Auch das noch! Was brachte mich bloß auf die Idee, dieses Ereignis in meinen Kalender einzutragen? Ach richtig, es war Anfang Mai, ich

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